Die deutsche Industrie steht vor einer Zeitenwende. Jahrzehntelang war sie eine tragende Säule des wirtschaftlichen Erfolgs der Bundesrepublik, getragen durch Innovationskraft, technologische Führungsrollen und eine verlässliche Energieversorgung. Besonders in den 2010er-Jahren profitierte die Industrie von günstigen Erdgasimporten – zunächst aus Russland, später auch aus den USA. Doch die geopolitischen und energiepolitischen Verschiebungen der letzten Jahre haben gezeigt: Ohne verlässliche und bezahlbare Energiequellen funktioniert das industrielle Rückgrat Deutschlands nicht, was die massive Zunahme von Insolvenzen und Abwanderungen ganzer Industriezweige in den letzten Jahren eindrucksvoll beweist.
Vom russischen Gas zur amerikanischen Brücke
Mit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine im Jahr 2022 kam es zu einem dramatischen Einschnitt: Die Abhängigkeit Deutschlands von russischem Erdgas, das bis dahin rund 55 % des Gasbedarfs deckte, entpuppte sich als geopolitisches Risiko. Der abrupte Wegfall dieser Lieferungen zwang die Bundesregierung zum Handeln. In Rekordzeit wurden LNG-Terminals errichtet, und die USA traten als neuer Hauptlieferant von Flüssiggas auf. Dass die Amerikaner dazu die Nord-Stream-Pipline gesprengt hätten, ist bisher nicht bewiesen, wohl aber im Bereich des Möglichen.
Diese Entwicklung hatte kurzfristig eine stabilisierende Wirkung. Zwar stiegen die Gaspreise infolge der globalen Angebotsverknappung massiv an, doch die Lieferungen aus den USA halfen, eine tiefgreifende Energiekrise abzuwenden. Die energieintensive Industrie – insbesondere Chemie, Metallverarbeitung, Papierindustrie und die Grundstoffchemie – konnte sich zunächst stabilisieren. Trotzdem bleiben die Energiepreise im internationalen Vergleich hoch, was die Wettbewerbsfähigkeit gefährdet. Und- Weiterhin liefert Russland den europäischen Ländern Gas, nur eben als LNG-Gas, transportiert mit Schweröltankern.
Günstiges Gas als Standortvorteil
Deutschland war lange ein Exportweltmeister, auch weil es über einen vergleichsweise kostengünstigen Zugang zu fossilen Energieträgern verfügte – vor allem durch langfristige Verträge mit Russland. Diese Energiepreise ermöglichten günstige Produktionskosten und sicherten industrielle Arbeitsplätze.
Mit dem Wegfall russischer Importe und der Abhängigkeit von teurem LNG ändert sich das Bild. Die deutsche Industrie verliert zunehmend an Standortattraktivität. Länder wie die USA oder China locken mit niedrigeren Energiepreisen und massiven Subventionen, was Investitionen umlenkt. Auch osteuropäische Länder bieten mittlerweile energieintensive Branchen günstigere Bedingungen. Abgewanderte Industrien kommen so schnell nicht wieder, mit einer Deindustrialisierung würde ein Wohlstandverlust einhergehen, der nicht nur die Beschäftigten in der Industrie träfe.
Regenerative Energien – Notwendig, aber nicht ausreichend
Zweifellos ist der Ausbau regenerativer Energien in Deutschland ein Muss – sowohl aus Klimaschutz- als auch aus Versorgungssicherheitsgründen. Windkraft, Photovoltaik und Biogas haben in den letzten Jahren deutlich zugelegt, und der Anteil der Erneuerbaren am Strommix liegt inzwischen bei über 50 %. Doch der Ausbau ist schleppend und von Bürokratie, Flächenkonflikten und Netzengpässen gebremst.
Zudem: Strom aus Wind und Sonne ist volatil. Ohne ausreichende Speicherkapazitäten und Backup-Systeme kann eine stabile Grundlastversorgung – die essenziell für Industrieprozesse ist – nicht gewährleistet werden. Viele industrielle Anwendungen, insbesondere in der Metallverarbeitung, Chemie oder Zementherstellung, sind auf gleichbleibende Energiezufuhr angewiesen, oft in Form von Prozesswärme, die Strom aus Erneuerbaren (noch) nicht zuverlässig bereitstellen kann. Der Transformationsdruck auf die deutsche Industrie ist enorm. Sie steht zwischen Dekarbonisierungspflicht, Wettbewerbsfähigkeit und Standortunsicherheit. Regenerative Energien werden langfristig die Hauptrolle spielen müssen, doch in der Übergangsphase bleibt günstiges Erdgas – vor allem als Brückentechnologie – von zentraler Bedeutung.
Ohne sichere und bezahlbare Energie keine Zukunft für die Industrie
Die Bundesrepublik muss eine realistische Energiepolitik betreiben. Wenn keine Alternativen als Energielieferant bereit stehen, schwächt das die Industrie massiv. Eine resiliente und zukunftsfähige Industrienation braucht:
1. einen zügigen und pragmatischen Ausbau der Erneuerbaren
2. Investitionen in Speichertechnologien
3. wettbewerbsfähige Energiepreise, auch durch strategische Importe,
4. eine industriepolitische Gesamtstrategie, die Planungssicherheit schafft.
5. Prüfung der Wiederaufnahme von Handelsbeziehungen mit Russland nach Kriegsende
Billiges Erdgas war und ist ein wichtiger Puffer – doch ohne eine konsequente energiepolitische Weichenstellung wird die deutsche Industrie langfristig an Boden verlieren. Die Dekarbonisierung darf nicht zur Deindustrialisierung führen. Dabei sind Brückentechnologienen wie die geplanten Gaskraftwerke unungänglich, so wir denn nicht wieder zur Atomkraft zurück wollen. Zur Versorgung der Gaskraftwerke muss preiswertes Gas bereit stehen. Auch hier gilt: Keine einseitige Festlegung, auch nicht aus den USA. Wenn wir auch in Zukunft wettbewerbsfähig bleiben wolen, ist es unumgänglich in der Nach-Putin Ära auch wieder mit Russland zu kooperieren; allein die für Zukunftstechnolgieen benötigten Rohstoffe machen dies alternativlos.
Russland zählt zu den Ländern mit den reichsten Rohstoffvorkommen. Neben den Energieträgern Erdöl- und Erdgas sowie Kohle verfügt man über so wichtige Bodenschätze wie Eisenerz, Nickel, Kupfer, Platingruppenmetalle. Die Bundesrepublik hat ebenfalls einen dringenden Bedarf an Seltenen Erden,
die für die Produktion von Elektroautos, Turbinen und anderen technischen Anwendungen unerlässlich sind.
Ein Neuaufbau der Nord-Stream-Pipelines zur Versorgung der Bundesrepublik mit preiswertem Erdgas und die Aufnahme von Handelsbeziehungen mit Russland — nachdem der völkerrechtswidrige Krieg in der Ukraine beendet ist — ist dazu eine logische Alternative.