Gut versteckt hinter Backsteinruinen, auf 160.000 Quadratmeter erstreckt sich eine eigene asiatische Welt. Wer durch das Portal kommt und die erste Lagerhalle betritt, … weiter im Text
Kategorie: Alltag
Große Klappe
In der Bundesrepublik gibt es ca. 45 Mio. zugelassene Autos. Ein Großteil davon dürften Kombis sein. Wiederum ein Großteil ältere Baujahre, die exakt der Marke, der Farbe und dem Aussehen meines Autos entsprechen.
Aussehen ist dabei relativ, ich jedenfalls sehe kaum noch Unterschiede in Formsprache und Design, was insbesondere die Findbarkeit auf Parkplätzen zuweilen beeinträchtigt.
Letztendlich hilft der Funkschlüssel bei der Suche; das Auto was nach Drücken des Funkschlüssels aufgeht, ist auch meist das meine.
Am Freitag jedenfalls stehe ich vor der Heckklappe [m]eines Kombis und versuche mit immer zunehmend hektischen Öffnungsversuchen, das Schloss zur Aufgabe des sperrigen Verhaltens zu bewegen.
Nach ca. drei Minuten ergebnislosen Drückens des Funkschlüssels bei gleichzeitig beherztem Reißen an der Heckklappe und wiederholtem Fluchen über die „Dreckskarre“, höre ich links hinter mir den Satz:“ Wenn die Heckklappe nicht aufgeht, hat das durchaus seine Berechtigung, das ist nämlich mein Auto.“
Das Hermes Prinzip
Der Mann an der Haustür sah ein bisschen abgerissen aus. Ich zweifelte kurz, dass es sich um den Paketfahrer handelte, den ich nach einigen erfolglosen Zustellversuchen erwartete.
Allein – das schmuddelige Leibchen, das er über dem Hemd trug, wies ihn als Hermes Paketdienstfahrer aus.
Der Groll war beim bemitleidenswerten Äußeren des Boten verflogen. Im gebrochenen Deutsch erklärte mir der Mann seine Schwierigkeiten beim Zustellen des Pakets. Das alles hatte ich bereits gehört; der Online-Händler hatte meine Beschwerde direkt an den Paketdienstleister weiter gegeben.
Mit dem Hinweis, dass Kartenzahlung leider nicht möglich sei, tat sich allerdings eine neue Bestmarke auf der Unausgeglichenheitsskala auf. Pampig antwortete ich, dass ich dann ja wohl meine letzten Reserven zusammenkratzen müsse, um die Lieferung zu bezahlen.
Der Mann murmelte so etwas wie:“ is‘ nett, sonst ich keine Geld“, oder ähnliches.
Wenn man Google anklickt und nach “Erfahrungen mit Hermes” sucht, wirft die Suchmaschine die abenteuerlichsten Geschichten aus.
Von Subunternehmen, die wiederum Subunternehmen beauftragen ist da die Rede. Von 12 Stunden Schichten an 6 Tagen die Woche und von umgerechnet Stundenlöhnen um die vier Euro.
Ich lasse mir also etwas liefern, dessen Versandkosten in etwa dem des Stundenlohns eines Paketzulieferer bei Hermes entspricht.
Der Name Hermes kommt aus der griechischen Mythologie: Hermes verkündete als Götterbote die Beschlüsse des Zeus — nebenbei war er der Schutzgott der Diebe.
EM
Die Europameisterschaft läuft und mit jedem Deutschland-Spiel wachsen Millionen neue Bundestrainer mit soviel Sachverstand heran, die Bundesrepublik fürderhin zum Europameister zu machen.
Der Freundeskreis bildet da keine Ausnahme. Im Gegenteil, alles was dort zum Thema Fußball gesagt wird, dürfte repräsentativ sein für die gesamte fußballbegeisterte männliche Einwohnerschaft der Bundesrepublik.
Die Einschätzung derer, die sich offensichtlich zutrauen, Jogi Löws Job zu machen, ist abhängig von zwei Faktoren: erstens nämlich dem Fortschreiten der EM und zweitens der Tatsache, in Wirklichkeit überhaupt keine Ahnung von Fußball zu haben, nicht mal ansatzweise, jedenfalls soweit ich das beurteilen kann.
Und ja, ich gehöre auch zu denen, denen Fußball relativ egal ist und die in sofern mit Expertenwissen vorsichtig sein sollten. Da sich aber nunmal fast alle Unterhaltungen derzeit um Fußball drehen, bleibt es nicht aus, dass das ein oder andere Gehörte hängen bleibt.
Die Chance will genutzt werden und so kann selbst der Ahnungsloseste mit einem Plagiat rhetorischer Fußballkompetenz glänzen.
Mit dem Satz:“ Ist doch kein richtiger Fußball mehr heutzutage, diese 4–4‑2 Taktik ohne Libero ist besserer Standfußball, mehr nicht“, ist man jedenfalls mindestens unter Kumpels für den Job des Bundestrainers qualifiziert.
50
Die Zahl eines runden Geburtstag lässt sich ganz gut an der Anzahl der Gratulanten erkennen. Je älter desto mehr — soweit vorhanden. Irgendwann kehrt sich das Verhältnis natürlich um, aber nur für die, die richtig alt werden.
Obschon alt die Definition für Menschen ist, die beispielsweise dazu neigen, Singvögel obsessiv auch im Sommer zu füttern.
Erstes ist mathematisch wohl eine Parabel, zweites ist wahr.
Aber hey, Singvögel werden keine fünfzig Jahre alt – die kurze Zeit die sie leben, sollen sie wenigstens mit vollem Magen verbringen.
Jedenfalls — die 50 haben wir schon mal.
Smombies
Die Beobachtung des Straßenverkehrs, respektive das Beobachten von Verkehrsteilnehmern mit Handys im Straßenverkehr, lässt auf Dauer die Frage nach verunfallten Personen ob der intensiven Nutzung ihrer Smartphone zu.
Leider gibt es dazu offensichtlich keine Statistik und alleine mit der Suchanfrage ist Google erkennbar überfordert. Menschen die auf Handys starren jedenfalls brachte nur allgemein gültige Aussagen und eben jede Menge Bilder von Menschen die auf Handys starren.
Nein, was ich wollte war eine Art Statistik der Anzahl Menschen, die bereits einen Unfall im Straßenverkehr hatten, weil sie ob der konzentrierten Nutzung ihrer Smartphone unkonzentriert am Straßenverkehr teilgenommen hatten.
Oft scheitert eine Suchanfrage bei Google an den eingegebenen Suchbegriffen – Google ist schließlich [noch] keine Antwortmaschine, so dass ein prägnanter Suchbegriff meistens eher zu dem gewünschten Ergebnis führt.
Nur, wie heißen Menschen, die auf ihr Handy starren, während sie sich im Straßenverkehr bewegen? Immerhin, zu der Frage wurde ich fündig. Smombies sind Menschen, die wie gebannt mit dem Handy starren und von der Umwelt nichts mehr mitbekommen. War sogar Jugendwort des letzten Jahres.
Zu Tod durch Selfie spuckt Google übrigens mehr Ergebnisse aus, was denkbar an der teilweise spektakulären Art des Ablebens liegen kann. Wer beim Selfie mit einem Bären umkommt, hat große Chancen mindestens für den Darwin Award nominiert zu werden.
Bezüglich der Selfiemanie interpretierte ich mal das Verhalten einer jungen Frau völlig zu Unrecht als gesteigerten Narzissmus. Die saß neben mir schoss alle fünf Minuten ein Selfie.
Auf meine Bemerkung, dass sie sich offensichtlich sehr gerne auf einem Foto sehe, antwortete sie:“ Quatsch, ich habe gleich einen wichtigen Termin und kontrolliere so mein Make-Up.“
Plätzchenzeit
Dezember ist Plätzchenzeit. Das ist zumindest in unserem Haushalt unumstößlich, sozusagen ein Naturgesetz.
Jedes Jahr Anfang Dezember werden bei uns in der Küche badewannengroße Teigklumpen durch die Weihnachtsplätzchenmaschine gequält, um als Spritzgebäck auf dem Backblech und ihrer und der Bestimmung des Backblechs folgend, im Ofen zu landen.
Im Anschluss wandern dann gefühlte hunderttausend Stücke in Keksdosen auf den Dachboden, wo sie vor gierigen Fingern versteckt ihr Dasein bis Weihnachten wahren sollen.
Nicht mit mir, ich habe mir über die Jahre akribischen Suchens ein intuitives Gespür für das Suchen und Finden von Weihnachtsplätzchen antrainiert. Dachte ich — ist aber falsch gedacht. Nachdem ich auch in diesem Jahr sämtliche Schachteln auf dem Dachboden geöffnet hatte, mögliche geheime Verstecke gedanklich auf die vor meinem Zugriff entzogene Eignung durchgegangen war gab ich auf.
Und warte auf den überraschten Ausruf vom Dachboden, meistens so um Pfingsten: „Ach guck, hier sind ja noch Plätzchen von Weihnachten, die haben wir ganz vergessen.“
Land der Dichter und Denker
Ich weiß nicht genau, aber in mir keimt so ein Verdacht, dass wir uns immer mehr entfernen, vom Land der Dichter und Denker. In erster Linie von dem der Denker.
Mein Auto, gerade von der Hebebühne der Werkstatt meines Vertrauens entkommen, wippte auf dem Heimweg wie ein Kinderwagen. Dort schließlich angekommen, sah ich, dass die Karosserie hinten praktisch Bodenhaftung hatte. Es sah aus, als ob ein vorwitziger Mechaniker die Stoßdämpfer entfernt hatte.
Nun, in einem Land, wo im Operationssaal schon mal OP Bestecke in Bauchhöhlen vergessen werden, Gewehre nicht treffen, Flugzeuge nicht fliegen, Pfannen mit Halterungen aus rostenden Schrauben verkauft werden usw, usf, ist wohl alles denkbar.
So keimte in mir kurzfristig der Verdacht, dass mein Mechaniker seiner Arbeit nicht mit der notwendigen Aufmerksamkeit nachgegangen war.
Ich tat im Unrecht. Das Problem war eine 20cm lange Stange, die die Luftfederung arrangieren soll, allerdings ob eines Ermüdungsbruchs ihre Funktion in Gänze eingestellt hatte.
Wird allerdings die Kompressibilität von Luft aufgrund fehlender Steuermerkmale unzureichend oder gar nicht genutzt, macht der darauf sitzende Überbau, in dem Fall das Heckteil des Autos, genau das, was nach den Gesetzten der Physik vorgesehen ist; es fällt nach unten.
Der findige Meister diagnostizierte beim traurigen Anblick des Autohecks richtigerweise eine defekte Regulierstange und zeigte mir den Bruch der Stange.
„Die ist aus Kunststoff, die bricht ganz gerne mal“, wusste mein Mechaniker zu berichten.
„Aus Plastik?“, schrie ich leicht hysterisch auf. Eine Stange, mehr ein Stängelchen, das dafür sorgt, dass mir das Heck nicht auf die Straße fällt – aus einem Material, dessen unzweifelhafter Vorteil darin besteht, in der Küche als Schüssel einem für Flüssigkeiten dienlichem Zweck eingesetzt zu werden, ansonsten aber ob der Beanspruchung aus meiner Sicht im mechanischen Bereich nichts zu suchen hat?
Dem Hersteller meines Autos wollte ich einen geharnischten Brief zukommen lassen.
Gerade noch rechtzeitig las ich im Internet von einer Rückrufaktion, die eben den Austausch dieser Regulierstange in eine Metallstange bezwecken sollte.
Begründung: Die Stange sei auszutauschen, da es ansonsten zu Komforteinbußen kommen könne.
Die Weihnachtsplätzchenmaschine
Die bessere Hälfte liebt es traditionell. An Weihnachten gibt’s einen Weihnachtsbaum, natürlich natürlich, nicht zu reichhaltig geschmückt, mit bunten Kugeln, Kerzen, ein wenig Lametta, fertig.
Vor Weihnachten, also etwa um diese Zeit, wird gebacken. Dazu muss der Teig durch eine Weihnachtsplätzchen-Maschine gedreht werden, die die Bezeichnung Maschine ob der quälenden mechanischen Bedienung mittels Kurbel nicht verdient.
Eine Kurbel! Ich meine, wir leben im 21. Jahrhundert, und ich soll der besseren Hälfte zur Hand gehen, indem ich eine Maschine bedienen muss, die eine Kurbel hat? Der Vorschlag, eine Bohrmaschine anzuschließen, missachtete die bessere Hälfte geflissentlich.
Die Kurbel kurbelnd räsonierte ich über Sinn und Zweck der Maschine mit der Kurbel und wollte zum rhetorischen Dolchstoß für ebendiese Maschine ausholen, als mich die bessere Hälfte umgehend zum Schweigen brachte: “Erstens nennt man die Weihnachtsplätzchenmaschine auch Fleischwolf und zweitens — wer nicht kurbelt, der kriegt auch keine Plätzchen.”