LineageOS – eine Art Zwischenbericht

Seit fast einem Jahr nut­ze ich bereits das alter­na­ti­ve Betriebs­sys­tem Line­age­OS auf mei­nem Sam­sung Gala­xy S6. In die­sem Text möch­te ich einen kur­zen Ein­blick in mei­ne prak­ti­sche Erfah­rung wie­der­ge­ben. Mei­ne Beweg­grün­de waren anfangs mehr von der tech­ni­schen Rea­li­sie­rung, oder anders, mei­ner Bas­tel­wü­tig­keit geprägt. Außer­dem nerv­te mich die zahl­rei­che Bloat­wa­re auf dem Smart­phone und nicht zuletzt die Tat­sa­che, dass die Update­po­li­tik der Smart­phone­her­stel­ler auf einen Zeit­raum begrenzt ist, der mei­ner Ansicht nach für ein so teu­res Gerät zu kurz ist.

Natür­lich hilft Igno­ranz, das ist aber nicht das was ich woll­te. Ich erwar­te schlicht­weg von einem tech­ni­schen Gerät, dass es wenigs­tens fünf Jah­re ohne Sicher­heits­ri­si­ko zu gebrau­chen ist. Da ich das Smart­phone zwei Jah­re nach Erschei­nungs­da­tum gekauft habe, war bereits ein Jahr spä­ter Schluss mit Updates. Da mich der Root­vor­gang schon immer inter­es­sier­te und die Garan­tie eben­falls abge­lau­fen war, habe ich über das Fla­shen einer Cus­tom Rom schlau gemacht. Vor­ab – wer sich in die Mate­rie ein­ar­bei­ten will, soll­te das viel­leicht erst ein­mal an einem alten Smart­phone pro­bie­ren. Ich kann nur sagen, dass alles, was beim Roo­ten und Fla­shen schief gehen kann, auch schief­geht – zumin­dest bei mir. 

Nach vie­len Ver­su­chen und nach­dem ich dafür ein gebrauch­tes Smart­phone preis­wert erstei­gert hat­te und Aus­pro­bie­ren der zahl­rei­chen Cus­tom Roms, bin ich schließ­lich bei Line­age­OS gelan­det, auch des­halb weil mir die Ent­wick­ler mit der nöti­gen Ernst­haf­tig­keit an die Sache rangingen. 

Was mich bereits an der Stock-Rom, also die Firm­ware, die direkt vom Her­stel­ler auf das Smart­phone gespielt wird, neben der nicht zu löschen­den Bloat­wa­re (Soft­ware, die mit Funk­tio­nen über­la­den ist und somit neben dem Sicher­heits­ri­si­ko auch die Akku­leis­tung herabsetzt)gestört hat, war die per­ma­nen­te Anbin­dung an Goog­le. Im Lau­fe der Beschäf­ti­gung mit dem Betriebs­sys­tem Android habe ich her­aus­ge­fun­den, dass über ver­schie­de­ne Apps täg­lich hun­der­te Ver­bin­dun­gen mit den Ser­vern von Goog­le auf­ge­baut wer­den, um ent­spre­chend Daten abzu­grei­fen. Natür­lich ist das nicht ver­wun­der­lich, Android gehört schließ­lich Goog­le, auch wenn es als freie Soft­ware zur Ver­fü­gung steht. 

Ist es denn über­haupt mög­lich, eine Soft­ware zu nut­zen, die unab­hän­gig vom Her­stel­ler funk­tio­niert oder prä­zi­ser: Ist ein Android Smart­phone ohne Goog­le möglich? 

Ist es ja, sofern man eini­ge Unbe­quem­lich­kei­ten und Mühen in Kauf nimmt. Der Lohn: Ein Smart­phone, das den Besit­zer nicht mehr aus­spio­niert, wer­be­frei mit einem Akku der wesent­lich län­ger hält. 

Ein Bei­spiel wie weit das Smart­phone in die Pri­vat­sphä­re dringt offen­bar­te mir mein Han­dy sei­ner­zeit, als ich zum Ein­kau­fen fah­rend, auf dem Rewe Park­platz eine Mel­dung über Son­der­an­ge­bo­te in genau die­sem Rewe Markt auf mein Han­dy bekam. 

Das war der berühm­te Trop­fen, der bei mir das Fass zum Über­lau­fen brach­te, ich woll­te nicht durch ein Han­dy über­wacht wer­den. Es muss­te sich also grund­le­gen­des ändern.

Die Lösung: Line­age­OS for microG. Der Able­ger von Line­age­OS kommt kom­plett ohne die pro­prie­tä­ren und instal­lier­ten Goog­le Biblio­the­ken aus. Auch die Stand­ort­diens­te für die Ver­bin­dung mit den Funk­mas­ten und die DNS Ser­ver sind nicht von Goog­le, son­dern Open-Source, freie Soft­ware, von Goog­le unab­hän­gig also. 

Der Vor­teil: Das Smart­phone baut nicht mehr hun­der­te von Daten­ver­bin­dun­gen täg­lich zu den Goog­le-Ser­vern auf, was in ers­ter Linie daten­tech­nisch ein Pro­blem dar­stellt, des wei­te­ren aber natür­lich auch am Akku zerrt. 

Durch das not­wen­di­ge Roo­ten des Smart­phones erge­ben sich wei­te­re Vor­tei­le. Bei­spiels­wei­se las­sen sich erst im geroo­te­ten Zustand eini­ge her­vor­ra­gen­de Apps nut­zen. Tita­ni­um Back­up zum Ent­fer­nen von Bloat­wa­re, Adda­way um sys­tem­weit läs­ti­ge Wer­bung zu unter­drü­cken, AFWall für wei­te­re Ein­schrän­kun­gen all­zu neu­gie­ri­ger Apps auf dem Smartphone. 

Das Smart­phone wird außer­dem wesent­lich schnel­ler, der Akku hält län­ger (bei mir, je nach Nut­zung bis zu zwei­ein­halb Tagen) und – ganz wich­tig – Sicher­heits­up­dates wer­den zeit­nah zum Down­load ange­bo­ten, das Smart­phone ist somit über über den durch die Her­stel­ler vor­ge­ge­be­nen Lebens­zy­klus, der in aller Regel drei Jah­re beträgt, nutzbar. 

Wo Licht ist, ist natür­lich auch Schat­ten. Die Syn­chro­ni­sa­ti­on mit den Ser­vern von Goog­le hat ja nicht nur Nach­tei­le. Kalen­der­da­ten, Bil­der­si­che­rung, Syn­chro­ni­sa­ti­on von Kon­takt­da­ten, ein reich­hal­ti­ger App Store, alles das sind Vor­tei­le, die mit dem Auf­spie­len einer Cus­tom Rom ohne Goog­le Apps nicht mehr mög­lich sind. Der Able­ger von Line­age­OS MicroG ist da ganz rabi­at. Jede App, die einen Zugang zu Goog­le ermög­licht, funk­tio­niert schlicht­weg nicht. Das heißt auch: Kalen­der und Cloud sind selbst zu orga­ni­sie­ren, bzw. mit Next­cloud o.ä. Anwen­dun­gen selbst­stän­dig auf­zu­set­zen und zu war­ten. Lei­der ist das nicht nur ein ziem­li­cher Auf­wand, son­dern in der War­tung des jewei­li­gen Ser­vers auch ziem­lich kompliziert. 

Manch­mal funk­tio­niert der auto­ma­ti­sche Foto­u­pload nicht und manch­mal zer­schießt sich der Kalen­der. Alles in allem über­wie­gen aus mei­ner Sicht die Vor­tei­le. Mein Tipp: wer sich in die Mate­rie ein­ar­bei­ten möch­te, guckt bei Line­age­OS wel­che Smart­phones unter­stützt wer­den. und besorgt sich bei Ebay ein auf der Sei­te auf­ge­lis­te­tes Gerät. Da Lineage meist älte­re Gerä­te unter­stützt, sind die Kos­ten über­schau­bar. Mit dem gebrauch­ten Smart­phone kann man jetzt das Roo­ten und Fla­shen gefahr­los ausprobieren.