Kosovo Teil III

Das Rei­sen in frem­de Län­der macht vor allem eines, es erdet unge­mein. Natür­lich nicht der Pau­schal­ur­laub in die Tür­kei oder in sonst ein Tou­ris­ten­vier­tel auf der Welt, son­dern das Rei­sen abseits von Tou­ris­mus direkt zu den Men­schen vor Ort. Die­ser Luxus war uns im Koso­vo gegönnt. Auf Ein­la­dung einer alba­ni­schen Fami­lie konn­ten wir so ein Stück alba­ni­scher Kul­tur kennenlernen.

Sanier­tes Haus in Jenjeva
Es gab und gibt sehr schö­ne Ecken im Koso­vo, gleich­wohl ist die Armut und der Koso­vo­krieg der vor 25 Jah­ren 15 km von hier ent­fernt in Pris­ti­na tob­te, immer noch prä­sent. Bei all dem, was ich gese­hen habe oder mir berich­tet wur­de, bleibt fest­zu­stel­len – die Deut­schen kla­gen auf hohem Niveau. 

Das Aus­maß des Gefäl­les zwi­schen Arm und Reich und die Kor­rup­ti­on sind hier enorm. Eine Kran­ken­ver­si­che­rung gibt es nicht, wer krank ist, muss die Arzt­rech­nung pri­vat bezah­len. Für die ärme­re Bevöl­ke­rung unmög­lich, wer krank ist, wird ent­we­der so wie­der gesund oder stirbt, das ist die bit­te­re Wahrheit. 

Die Mit­tel­schicht ist im Koso­vo nicht prä­sent. Zwar ver­die­nen Hand­wer­ker inzwi­schen das Dop­pel­te wie sonst noch vor ein paar Jah­ren, da auch hier der Fach­kräf­te­man­gel spür­bar ist, jedoch sind die Lebens­hal­tungs­kos­ten hier fast auf dem Niveau der Bun­des­re­pu­blik. Mit 1000 Euro Lohn ist da schon schwer zu haus­hal­ten. Zudem wird in der Regel 6–7 Tage gear­bei­tet, wer frei oder Urlaub haben will, muss sich das leis­ten kön­nen. Bezahlt wird in der Regel nur die tat­säch­li­che Arbeitszeit. 

Der Kli­ma­wan­del macht den Ein­woh­nern auch hier zu schaf­fen. So berich­te­ten mir Ein­hei­mi­sche, das es zwar im Som­mer immer auch heiß war, aber Tem­pe­ra­tu­ren von über 40 Grad gab es frü­her kaum. In der kur­zen Zeit die wir hier waren, haben wir die­se Tem­pe­ra­tu­ren zwei mal erle­ben kön­nen. in die­sem Jahr galt erst­mals ein Arbeits­ver­bot im Frei­en in der Zeit von 11.00 Uhr bis 17.00 Uhr, da eini­ge Arbei­ter in der Hit­ze kol­la­biert und vom Dach oder Gerüst gefal­len sind. Auch der Stark­re­gen nimmt zu. Ohne Vor­war­nung pas­siert es, dass es wie aus Eimern schüt­tet und die Stra­ßen sich knie­tief mit Was­ser fül­len. Die durch den Ein­zug des Kapi­ta­lis­mus zuneh­men­de Pri­va­ti­sie­rung ist ein wei­te­res Problem. 

Strom und Müll­ab­fuhr bei­spiels­wei­se sind als Pri­vat­un­ter­neh­men gewinn­ori­en­tiert; inves­tiert wird nur das aller­nö­tigs­te. Die Anmel­dung der Müll­ab­fuhr ist kei­ne Pflicht, die Gebühr kön­nen sich die wenigs­ten leis­ten und so lan­det der Müll eben auf der Stra­ße. Die Strom­ver­sor­gung ist ober­ir­disch und aben­teu­er­lich instal­liert. Die Lei­tun­gen wer­den von vie­len ein­fach „ange­zapft“ indem man ein Seil mit einem Haken über die Lei­tun­gen wirft und so lan­ge zieht, bis sich ein Kabel löst. Das wird dann in der Regel als „Haus­an­schluss“ genutzt. Vor allem die zahl­rei­chen ansäs­si­gen Roma nut­zen dies, da sie in den ver­las­se­nen Rui­nen hausen. 

Ein ver­las­se­nes Haus von im Krieg geflüch­te­ten Alba­nern; meist genutzt von Sin­tis und Roma.
Die ste­hen hier übri­gens Sei­te an Sei­te und im hef­ti­ge Kon­trast zu den eben­so zahl­rei­chen Vil­len, deren Besit­zer meist im Aus­land reich gewor­de­nen Alba­ner sind. Über­haupt, gebaut wird hier noch nach Wild­west Manier. Bau­ge­neh­mi­gun­gen sind hier – zumin­dest im Länd­li­chen – weit­ge­hend unbe­kannt. Oft­mals wird auch nur der Roh­bau hoch­ge­zo­gen und das war’s. Die­se Roh­bau­ten wer­den dann ein­fach der Natur überlassen. 

Wer jung ist, den zieht es in die Stadt. Das ist inso­fern scha­de, als dass die Land­stri­che noch mehr ver­öden. In der Stadt wach­sen dafür die Hoch­häu­ser. Das passt natür­lich auch nicht jedem. Die Immo­bi­li­en­un­ter­neh­men kau­fen das gan­ze Land auf, sagen die Leute. 

Haus im Innen­hof. Hier woll­te jemand sein Grund­stück offen­sicht­lich nicht verkaufen 🙂
Im Innen­hof des Hoch­hau­ses, wo wir wohn­ten, woll­te ein Eigen­heim­be­sit­zer offen­sicht­lich nicht ver­kau­fen und so steht nun sein Haus mit Grund­stück eben im Innen­hof zwi­schen vier Hoch­häu­sern. Aus Trotz hält er sich einen Hund, der – ange­ket­tet – auf­grund der zahl­rei­chen wil­den Hun­de hier die gan­ze Nacht bellt. 

Die Hun­de hier sind eine Pla­ge. Uns wur­de erzählt, dass es vor ein paar Jah­ren Zuschüs­se für die Hal­tung von Hun­den gab. Als die Zah­lun­gen dann aus­blie­ben, wur­de die Hun­de eben ein­fach frei­ge­las­sen und ver­mehr­ten sich rasch. Der zahl­rei­che Müll und feh­len­de Fress­fein­de lie­ßen die Popu­la­ti­on nahe­zu explo­die­ren. Inzwi­schen küm­mern sich Tier­schutz­or­ga­ni­sa­tio­nen um die Hun­de. Sie wer­den gefan­gen, ent­wurmt, kas­triert und mit einem Chip am Ohr wie­der auf die Stra­ße gesetzt. 

Man­che Hun­de set­zen sich übri­gens direkt vor einen hin und gucken mit einem Blick, der Stei­ne schmel­zen las­sen wür­de. Wer den Hund dann füt­tert, hat ver­lo­ren, den Hund wird man nicht mehr los. 

Ande­re Hun­de sind rabia­ter. Unse­re Gast­ge­ber führt immer einen Stock zur Abwehr auf dem Tre­cker mit, angeb­lich hät­te sich ein Hund sogar im Tre­cker­rei­fen verbissen. 

Eines der ältes­ten Häu­ser im Koso­vo, dahin­ter die christ­li­che kroa­ti­sche Kirche.Muslime und Chris­ten leben hier fried­lich miteinnander.
Im Gegen­satz zu Alba­ni­en, das der­zeit hei­ßer Tipp für Urlaubs­rei­sen ist, hat der Koso­vo lei­der kein Meer. Trotz­dem setzt man hier auf Tou­ris­mus, der sich in ein paar Jah­ren ent­wi­ckeln soll. In der Ort­schaft Jan­je­va sind die ers­ten alten Häu­ser bereits saniert und sol­len als Feri­en­häu­ser Tou­ris­ten locken. Die alten Häu­ser im Ort sind mit Lehm­zie­geln gebaut. Die EU unter­stützt die Sanie­rung, so denn die alten Häu­ser ori­gi­nal­ge­treu wie­der auf­ge­baut wer­den. In der Ort­schaft wur­den wir nicht nur in der Taver­ne von den Ein­hei­mi­schen freund­lich begrüßt, son­dern auch vom Dorf­po­li­zis­ten, eine Füh­rung durch die Poli­zei­sta­ti­on war mit inbe­grif­fen; denn — natür­lich ist auch er irgend­wie mit unse­rem Bekann­ten verwandt. 

Für uns ist jetzt schon klar: Wir kom­men wieder. 

Fal­emin­de­rit për gjithçka. 

2 Comments

  1. So span­nend ich den Rei­se­be­richt fin­de, wäre es doch kein Urlaubs­ziel für mich. Man ver­gisst hier schnell, wie gut es uns eigent­lich geht und das vie­les eben nicht so selbst­ver­ständ­lich ist. Und das man sich Gesund­heit nicht kau­fen kön­ne, ist wohl auch eine Aus­sa­ge über die manch einer nur bit­ter lachen kann.

    1. Trotz alle­dem ist es ein wun­der­schö­nes Land und die aus­ge­präg­te Gast­freund­schaft sucht man sicher hier bei uns auch ver­geb­lich. Neben­bei bemerkt, fand ich es auch nicht so schlecht, dass älte­ren Män­nern beson­de­rer Respekt ent­ge­gen­ge­bracht wird 😉

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