Selbsterkenntnis

“SPD und Grü­ne suchen einen nütz­li­chen Idio­ten, der ihnen eine lin­ke Mehr­heit ermög­licht”, sag­te FDP-Chef Gui­do Wes­ter­wel­le zu den Hoff­nun­gen der SPD auf eine Ampel-Koali­ti­on in Hes­sen.
[ Quelle:FTD.de]

So eine tief­grei­fen­de Selbst­ana­ly­se hät­te ich dem FDP-Chef gar nicht zugetraut. 

Rückkehr der Rattenfänger?

Die Kom­men­tie­run­gen und Ana­ly­sen zu den Ergeb­nis­sen der Land­tags­wahl in Hes­sen und Nie­der­sach­sen über­zeu­gen wenig. Die gro­ßen Par­tei­en haben ver­lo­ren. Die Wäh­ler ent­schie­den sich mehr­heit­lich nicht wäh­len zu gehen. Roland Koch hat ver­sucht mit aus­län­der­feind­li­chen Res­sen­ti­ments Wäh­ler zu gewin­nen, das hat nicht funk­tio­niert. Aber auch der Kuschel­kurs der SPD um Frau Ypsi­lan­ti moch­te einen Groß­teil der Wäh­ler nicht über­zeu­gen. Das Wahl­er­geb­nis lässt Inter­pre­ta­ti­ons­spiel­raum zu. Die Wahl­be­tei­li­gung aller­dings auch –Wer­ner Per­ger schrieb bereits vor der Land­tags­wahl in der ZEIT:

Zur Debat­te ste­hen die Belast­bar­keit und die Leis­tungs­fä­hig­keit der Demo­kra­tien. Der in viel­fäl­ti­gen Umfra­gen, seriö­sen und ober­fläch­li­chen, gemes­se­ne Ver­trau­ens­ver­lust der Bür­ger, das sin­ken­de Inter­es­se an der Poli­tik und die in den meis­ten Län­dern sin­ken­de Wahl­be­tei­li­gung wer­den zuneh­mend als Pro­blem emp­fun­den. Sie ent­fal­ten eine eige­ne, sich selbst beschleu­ni­gen­de Wir­kung: Die tra­di­tio­nel­len Par­tei­en und die Ver­tre­ter der poli­ti­schen Klas­se wer­den ins­ge­samt ner­vös, reagie­ren auf die­se Ent­wick­lung ängst­lich, wagen sich nicht mehr an schwie­ri­ge poli­ti­sche The­men her­an und fürch­ten nie­mand so sehr wie die Wähler.

Wenn die Rente nicht ausreicht

Der Pro­du­zent John de Mol wur­de sei­ner­zeit ein­mal gefragt, wo denn sei­ne Gren­zen der Ernied­ri­gung im Fern­se­hen wären. Der Grün­der der Fern­seh­pro­duk­tios­fir­ma Ende­mol ant­wor­te­te sinn­ge­mäß, dass sei­ne Gren­zen weit enger gesteckt wären als die der Kan­di­da­ten. Viel­leicht hat­te er die Pro­duk­ti­on der ers­ten Staf­fel des “Dschun­gel­camps” in den neun­zi­ger Jah­ren ver­ges­sen; abge­half­ter­te Pro­mis konn­ten sich für Geld hier öffent­lich ent­wür­di­gen. Ich konn­te mich damals des Ein­drucks nicht erweh­ren, dass der Ex-Trou­ba­dour des Kar­ne­vals, Wer­ner Böhm (Hier flie­gen gleich die Löcher aus dem Käse… ), ob der Viel­zahl der ver­tilg­ten Kaker­la­ken fast geplatzt wäre. Zwei­fels­oh­ne war das der Ein­stieg der piva­ten Pro­gram­me in die Höhe­punk­te abar­ti­gen Fern­se­hens. Schein­bar funk­tio­niert die Art Fern­se­hen doch, die zwei­te Staf­fel mit dem sin­ni­gen Titel: “Ich bin ein Star holt mich hier raus” lief ges­tern Abend. Spie­gel-Online schreibt dazu sehr passend: 

Sie fah­ren ein ins Fege­feu­er des Fäkalfernsehens.

Aus Wagners Poesiealbum

Die Liai­son des fran­zö­si­schen Staats­prä­si­den­ten Nico­las Sar­ko­zy mit dem Top-Modell Car­la Bruni beflü­gelt die Fan­ta­sie des Bild Kolum­nis­ten Franz Josef Wag­ner. Er benei­de den Prä­si­den­ten, so der Bild-Zei­tungs Poet und fabu­liert pas­send zur Weih­nachts­zeit in sei­ner Kolum­ne den unnach­ahm­li­chen Satz:

“Wenn Frau­en lie­ben, hat die gan­ze Welt schö­ne Augen.”

Zocker in Nadelstreifen

Nach­dem der Bun­des­tag den Min­dest­lohn für Post­zu­stel­ler beschlos­sen hat, will sich der Mehr­heits­eig­ner des Brief­dienst­un­ter­neh­mens Pin, der Sprin­ger Ver­lag, aus dem Geschäft zurück­zie­hen. Für Sprin­ger Chef Döpf­ner war das auch vor Ein­füh­rung des Min­des­loh­nes defi­ziä­re Brief­ge­schäft zuneh­mend ein Klotz am Bein.
Man erwar­te, so die WAZ, die eben­falls Mit­eig­ner ist, für das ablau­fen­de Jahr ein Minus von rund 55 Mil­lio­nen Euro. Aus­lö­ser für eine dro­hen­de Insol­venz ist also nicht der Min­dest­lohn, wie Sprin­ger-Chef Döpf­ner so gern behaup­tet. Der Medi­en­kon­zern hat die Gunst der Stun­de genutzt, sich eines Geschäft­an­teils zu ent­le­di­gen, das ver­mut­lich schon län­ge­re Zeit rote Zah­len schreibt.
Die Sum­me, die das Manage­ment der Pin-Group allei­ne in die­sem Jahr in den Sand gesetzt hat, dürf­te sich somit sum­ma sum­ma­rum auf über sechs­hun­dert Mil­lio­nen Euro addieren.
Pin-Chef Gün­ter Thiel kün­dig­te laut Focus Online an, die Geschäfts­an­tei­le des Sprin­ger Ver­lags zum Preis von einem sym­bo­li­schen Euro zu erwer­ben. Thiel will aus sei­nem Pri­vat­ver­mö­gen, das aus Spe­ku­la­ti­ons­ge­win­nen der Pin-Group gewal­tig ange­wach­sen sein dürf­te, 60 Mil­lio­nen Euro zur Erhal­tung des Brief­dienst­un­ter­neh­mens investieren. 

Westerwelle plant die Wirtschaft

Mit der Volks­wirt­schafts­leh­re scheint Dr.Guido Wes­ter­wel­le auf Kriegs­fuß zu ste­hen. Die Eini­gung der Koali­ti­on über die Ein­füh­rung von Min­dest­löh­nen für die Brief­zu­stel­ler erinn­nert den FDP-Chef an ein Sys­tem, von dem er gehört hat, dass es so etwas in der ehe­ma­li­gen DDR gab. Wes­ter­wel­le scheu­te sich jeden­falls nicht, den Min­dest­lohn als “Plan­wirt­schaft” zu bezeich­nen. Die Fest­set­zung von Min­des­löh­nen hat mit einer Plan­wirt­schaft nichts zu tun. Im Gegen­teil: Für die Wirt­schafts­füh­rung der Plan­wirt­schaft ist das Vor­han­den­sein von Prei­sen, Markt und Wett­be­werb grund­sätz­lich nicht not­wen­dig. Der feh­len­de Wett­be­werb in einer Plan­wirt­schaft führt einen Min­des­lohn zur Absi­che­rung gegen die Kon­kur­renz also ad absur­dum. Glück­li­cher­wei­se sind Leu­te wie Gui­do Wes­ter­wel­le finan­zi­ell rela­tiv abge­si­chert, auf dem frei­en Markt wür­de es für den pro­mo­vier­ten Juris­ten als Wirt­schafts­fach­mann wohl eher schwie­rig werden.