Das Abschneiden der AFD bei den Landtagswahlen in Mecklenburg-Vorpommern gestern beweist einmal mehr, wie leicht Menschen zu manipulieren sind. Die gesamte Strategie der Rechtspopulisten im Vorwahlkampf bezog sich auf die Flüchtlingsfrage, bzw. der angeblichen Überbevölkerung durch Migranten und Flüchtlinge.
Dabei sind letzten Jahr in Mecklenburg-Vorpommern gerade einmal 23.000 Menschen zugewandert — und das bei einer Einwohnerzahl von 1,6 Mio. Menschen. Nicht mal 1,5 Prozent der Einwohner, nicht mal so viele Menschen, wie Zuschauer in einem Fußballstadion bei einem Bundesligaspiel.
Fakten statt Vorurteile
Ein gängiges Klischee lautet: Das Boot sei voll, es brauche eine Begrenzung des Zustroms der Zuwanderung nach Deutschland. Stimmt das wirklich? Werden wir von Einwanderern überrannt? Nehmen uns die Migranten gar die Arbeit weg und somit die Grundlage unseres Wohlstands?
Zuwanderung ist kein neuzeitliches Phänomen, In den 1960er Jahren entwickelte sich Deutschland binnen kurzer Zeit zum Einwanderungsland. In der Spitze kamen 800 000 Menschen jährlich nach Deutschland. Ohne diese Zuwanderung wäre das „deutsche Wirtschaftswunder“ nicht möglich gewesen.
In den neunziger Jahren wurden die Grenzen durchlässiger. Die Menschen flüchteten aufgrund von Kriegen oder prekären Situationen aus Jugoslawien, Asien, Afrika, der damaligen Sowjetunion und der ehemaligen DDR. Mit dem Mauerfall 1989 kamen in den darauffolgenden Jahren 1,5 Mio Menschen ins Land, alleine 1992 über ca. 850.000.
Zum Jahresende 2015 registrierte das Statistische Bundesamt eine Zuwanderung von 2 Mio. Menschen, bei 860.000 Abwanderungen. Daraus ergibt sich ein Wanderungssaldo von 1,14 Millionen ausländischen Personen.
Hinzu kommt: Die Zuwanderer kommen, um zu arbeiten und tun dies auch. Bei den aus den osteuropäischen Ländern kommenden Migranten (Bulgarien und Rumänien) verfügen 19% über einen akademischen Abschluss; das sind durchschnittlich mehr als in der Gesamtbevölkerung Deutschlands (14 %).
Viele Arbeitsmigrantinnen und Arbeitsmigranten arbeiten in Deutschland in Pflegeberufen (Polen), umso wichtiger, weil der Anteil der pflegebedürftigen Menschen in Deutschland stetig steigt.
Seit 1972 gibt es in Deutschland mehr Sterbefälle als Geburten. Im Jahr 2015 sind in Deutschland 738.000 Kinder zur Welt gekommen, demgegenüber stehen 925.000 Sterbefälle. Ohne Zuwanderung würde Deutschland also auf Dauer aussterben.
Mehr noch: das Institut für Arbeitsmarktforschung hat errechnet, das nur bei einer kontinuierlichen jährlichen Nettozuwanderung von 400.000 Menschen, sich die Zahl der Menschen im arbeitsfähigen Alter in Deutschland stabilisieren ließe. Nur so könne Deutschland der Demografiefalle entgehen.
Der promovierte Ökonom Henrik Müller hat sich der Vorurteile aus wirtschaftswissenschaftlicher Sicht genähert und kommt zu überraschenden Ergebnissen.
So schreibt Müller in seinem 2014 erschienenen Buch „Wirtschaftsirrtümer“, dass „16 Prozent der Deutschen im Jahr 2013 die Zuwanderung für eines der größten Probleme sehen würde.“ 3 Prozent waren nach eigenen Angaben allerdings überhaupt betroffen. (siehe Mecklenburg Vorpommern)
Der typische Gerüchte – und Vorurteilsstrudel also, genährt durch Stammtischwissen, populistischen Politikern und Schlagzeilen in unverantwortlichen Boulevardblättern. (siehe Burkaverbot)
Prof. Dr. Müller wird noch deutlicher: „Ohne Zuwanderung wären die ökonomischen Aussichten für Deutschland düster. Das Wachstum würde in den nächsten Jahrzehnten gegen null schrumpfen [..] Investoren würden Deutschland meiden, sodass auch ansässige schlechtere Arbeits- und Verdienstmöglichkeiten hätten.
Die Sozialversicherungen gerieten in noch größere Finanzierungsprobleme. Die Innovationskraft würde erlahmen, Wissenschaft und Kultur in einer alternden und abgeschotteten Gesellschaft veröden.“
Henrik Müller verschweigt nicht die Probleme die eine Immigration mit sich bringen kann: Soziale Brennpunkte mit erhöhter Kriminalität, Platzmangel in den Ballungszentren.
Die Politik selber allerdings leistet den Problemen Vorschub: „ Asylbewerber werden von Behörden und Politik nach Kräften am Arbeiten gehindert“, schreibt Müller.
Der Grundbaustein für eine erfolgreiche Integration ist nun mal Arbeit.
Und — die beharrliche Weigerung der Anerkennung und Regelung eines Einwanderungslandes verkomplizieren eine vernünftige Integration zusätzlich.
Politiker wollen gewählt werden; Trotz der nachgewiesenen Notwendigkeit von Zuwanderung bedienen sie sich deshalb der Vorurteile von Teilen der Bevölkerung.
Zuwanderung ist also nicht das Problem, sondern die Lösung für Deutschlands Demografieproblem; sie muss nur in Einwanderungsgesetzen vernünftig geregelt werden.
Quellenangaben:
Statistisches Bundesamt.
Bundeszenrale für politische Bildung
Dokumentationszentrum Migration
Institut für Arbeitsmarkt — und Berufsforschung
Henrik Müller — Wirtschaftsirrtümer