Datenkraken

Wen es wirk­lich noch wun­dert, dass mit Kun­den­da­ten ein schwung­haf­ter Han­del getrie­ben wird, dem ist wohl auch nicht mehr zu hel­fen. Von Tank­kar­ten über Brot­kar­ten, von Rabatt­kar­ten im Bau­markt; selbst beim eigent­lich kos­ten­frei­en Erwerb von gel­ben Säcken zur Müll­tren­nung ist jeder auf­ge­for­dert, sei­ne Daten zu hin­ter­las­sen — und tut dies meist auch. Alle die­se Daten wer­den aus­ge­wer­tet um Kun­den­pro­fi­le zu erstel­len oder sie wer­den ver­kauft. Da wird die Bequem­lich­leit leicht zur Nach­läs­sig­keit, wenn z.b. an der Lot­to­an­nah­me­stel­le all­zu schnell ein Kärt­chen zu haben ist, das pro­blem­lo­se Abbu­chung und selbst­ver­ständ­lich auch eine pro­blem­lo­se Gewinn­ver­bu­chung auf das ange­ge­be­nen Kon­to garan­tiert. Merk­wür­di­ger­wei­se sind die, denen vor­ge­wor­fen wird, ihre Daten nur all­zu leicht­fer­tig ins Netz zu stel­len, wesent­lich vor­sich­ti­ger. Web­sei­ten­be­trei­ber wis­sen halt in der Regel auf was es ankommt — und was tun­lichst ver­mie­den wer­den sollte. 

Ein fliehendes Pferd

Die Erzäh­lung Mar­tin Walsers von 1978 hat in der Aktua­li­tät nichts ein­ge­büßt. Wal­ser beschreibt in sehr kon­zen­trier­ten Wor­ten die Kri­se zwei­er Män­ner um das Älter­wer­den: Die Halms fah­ren seit Jah­ren an den glei­chen Urlaubs­ort am Boden­see. Ober­stu­di­en­rat Hel­mut Halm genießt die „ver­trau­te Fremd­heit“; mit sei­ner Frau Sabi­ne ver­steht er sich ohne vie­le Wor­te. An dem ange­stan­de­nen Urlaubs­ort der Halms kommt es zur Begeg­nung mit dem längst ver­ges­se­nen Jugend – und Stu­di­en­freund Klaus Buch, der das genaue Gegen­teil des Ober­stu­di­en­rats zu sein scheint. Agil und aske­tisch prä­sen­tiert sich Klaus Buch mit sei­ner wesent­lich jün­ge­ren Frau Hele­ne. Der fit­ness­be­ses­se­ne Klaus ver­sucht den Freund aus längst ver­gan­gen Tagen aus sei­ner ver­meint­li­chen Lethar­gie zu rei­ßen. Hel­mut fühlt sich ob der vie­len Akti­vi­tä­ten gereizt, noch mehr, als ihm sei­ne Gat­tin zu ver­ste­hen gibt, sich von Klaus Buch kör­per­lich ange­zo­gen zu füh­len. Mehr und mehr wird aller­dings klar, dass Klaus Buch mit sei­ner über­schäu­men­den Akti­vi­tät nur sei­ne Mid­life Cri­sis zu meis­tern ver­sucht. Bei einem Segel­törn der bei­den Män­ner nimmt das Gesche­hen eine unge­ahn­te Wende.

Wolfgang Clement

Dass Wolf­gang Cle­ment einen Hang zur Thea­tra­lik hat, hat er bewie­sen. Dass der eins­ti­ge Jour­na­list auch einen Hang zur Epik hat, ist weni­ger bekannt. Nach­fol­gen­den Text ver­fass­te Cle­ment vor Jah­ren wäh­rend einer, schein­bar nicht sehr inter­es­san­ten, Tagung im Bundestag.

“Ich hat­te 18 Fla­schen Whis­ky in mei­nem Kel­ler. Mei­ne Frau befahl mir, den Inhal­ten jeder ein­zel­nen ins Spül­be­cken zu gie­ßen, sonst könn­te ich was erle­ben! Ich sag­te Ja und fing mit der unan­ge­neh­men Arbeit an. Ich zog den ers­ten Kor­ken aus der ers­ten Fla­sche und goss den Inhalt ins Becken, mit Aus­nah­me von einem Glas, das ich trank. Dann lös­te ich den zwei­ten Kor­ken und tat das­sel­be, mit Aus­nah­me von einem Glas, das ich trank. Dann zog ich den Kor­ken der drit­ten Fla­sche und goss den Whis­ky ins Becken, das ich trank. Ich zog den Kor­ken der Vier­ten ins Becken und goss die Fla­sche ins Glas, das ich trank. Ich zog die Fla­sche vom nächs­ten Kor­ken und trank ein Becken dar­aus und warf den Rest ins Glas. Ich zog das Becken vom nächs­ten Glas und goss den Kor­ken in die Fla­sche. Dann kork­te ich das Becken mit dem Glas, flansch­te den Trank und trink­te den Guß. Als ich alles aus­ge­leert hat­te, hielt ich das Haus mit der einen Hand fest, zähl­te die Glä­ser, Kor­ken und Fla­schen und Becken mit der ande­ren und stell­te fes­te, dass es 39 waren. Als das Haus wie­der vor­bei kam, zähl­te ich sie noch­mal und hat­te dann end­lich die Häu­ser in der Fla­sche, die ich trank. Ich ste­hen gar­nicht unter den Abfluß von Ein­ko­hol, wie man­cher den­ker Leu­ten! Ich bin nicht halb so bedenkt, als ihr trun­ken könn­tet! Aber ich habe so ein fühl­sa­mes Geselt.….…oh!!!”

Na endlich — Die Sommerloch Postille

Man kann ja fast dar­auf wet­ten, dass irgend­ein Depp sich aus dem Som­mer­loch wagt. In die­sem Jahr prä­sen­tiert Ber­lins Finanz­se­na­tor Sar­ra­zin dem stau­e­nen­den Volk eine Emp­feh­lung für den bevor­ste­hen­den Win­ter. Als Lösung für die stei­gen­den Ener­gie­prei­se wird der Finanz­se­na­tor mit dem Satz zitiert:

“Wenn die Ener­gie­kos­ten so hoch sind wie die Mie­ten, wer­den sich die Men­schen über­le­gen, ob sie mit einem dicken Pull­over nicht auch bei 15 oder 16 Grad Zim­mer­tem­pe­ra­tur ver­nünf­tig leben kön­nen.” Quel­le.

Thi­lo Sar­ra­zin, der auch schon mal vor­ge­rech­net hat, wie Hartz-IV-Emp­fän­ger sich mit vier Euro am Tag gesund ernäh­ren könn­ten, sitzt neben sei­ner Tätig­keit als Finanz­se­na­tor von Ber­lin in acht ver­schie­de­nen Aufsichtsräten. 

Obama in Berlin

Nein, er ist noch kein Prä­si­dent, den­noch, in der Tra­di­ti­on ame­ri­ka­ni­scher Prä­si­den­ten prä­sen­tier­te sich Barack Oba­ma ges­tern in Ber­lin sehr geschickt als ver­mut­lich nächs­ter Prä­si­dent der USA. Und auch wenn eini­ge Jour­na­lis­ten uns weis­ma­chen woll­ten, die Anspie­lung Oba­mas auf das Aben­teu­er Afgha­ni­stan wäre aus­schließ­lich aus wahl­tak­ti­schen Grün­den erfolgt, wur­de schnell klar, dass auch ein zukünf­ti­ger Prä­si­dent welt­wei­te Ein­sät­ze nicht aus­schließt und dar­auf drän­gen wird deut­sche Sol­da­ten in die Kampf­hand­lun­gen, wo auch immer, mit einzubeziehen.

This is the moment when we must renew our resol­ve to rout the ter­ro­rists who threa­ten our secu­ri­ty in Afgha­ni­stan, and the traf­fi­ckers who sell drugs on your streets. No one wel­co­mes war. I reco­gni­ze the enorm­ous dif­fi­cul­ties in Afgha­ni­stan. But my coun­try and yours have a sta­ke in see­ing that NATO’s first mis­si­on bey­ond Europe’s bor­ders is a suc­cess. For the peo­p­le of Afgha­ni­stan, and for our shared secu­ri­ty, the work must be done. Ame­ri­ca can­not do this alo­ne. The Afghan peo­p­le need our tro­ops and your tro­ops; our sup­port and your sup­port to defeat the Tali­ban and al Qaeda, to deve­lop their eco­no­my, and to help them rebuild their nati­on. We have too much at sta­ke to turn back now. 

[accordion][accordionitem title=“Übersetzung”]

Dies ist der Moment, wo wir unse­re Ent­schlos­sen­heit erneu­ern müs­sen. Ter­ro­ris­ten bedro­hen unse­re Sicher­heit in Afgha­ni­stan und die Men­schen­händ­ler ver­kau­fen Dro­gen auf Ihren Stra­ßen. Nie­mand begrüßt Krieg. Ich erken­ne die enor­men Schwie­rig­kei­ten in Afgha­ni­stan. Aber mein Land und Ihres haben ein Inter­es­se dar­an, dass die NATO die ers­te Mis­si­on über die Gren­zen Euro­pas ein Erfolg ist. Für die Men­schen in Afgha­ni­stan, und für unse­re gemein­sa­me Sicher­heit, muss die Arbeit getan wer­den. Ame­ri­ka kann dies nicht allein. Das afgha­ni­sche Volk braucht unse­re Trup­pen und Ihre Trup­pen; unse­re Unter­stüt­zung und Ihre Unter­stüt­zung zur Nie­der­la­ge der Tali­ban und al-Qai­da, bei der Ent­wick­lung ihrer Wirt­schaft, und um ihnen zu hel­fen beim Wie­der­auf­bau ihrer Nati­on. Wir haben zu viel auf dem Spiel ste­hen, um ihnen den Rücken kehren. 

[/accordionitem][/accordion]

Aus Sicht der Ame­ri­ka­ner ist dies nur ver­ständ­lich, sie kön­nen und dür­fen sich nicht zurück­zie­hen. Die Glaub­wür­dig­keit der USA stün­de auf dem Spiel. Die Deut­schen wer­den sich den For­de­run­gen der Ame­ri­ka­ner aus­ge­setzt sehen, eben nicht nur als Poli­zis­ten und Auf­bau­hel­fer welt­weit im Ein­satz zu sein. Frei nach Carl von Clau­se­witz, der die Ver­tei­di­gung als über­le­gen­de Kampf­form sah, weil sie weni­ger Kräf­te ver­brau­che, dürf­te schnell klar sein, was es heißt, wenn die Poli­tik sich dazu ent­schließt die Auf­ga­ben der Bun­des­wehr auch im Angriff zu sehen.
Oba­mas gesam­te Rede hier

Stephen King — Puls

Der Stoff in Ste­phen Kings Werk „Puls“ scheint ziem­lich mager, um dar­aus eine 528 Sei­ten star­ken Hor­ror­ge­schich­te zu machen. King wäre nicht King, wenn ihm das nicht gelän­ge. In sei­nem, im Jahr 2006 erschie­nen, Buch geht es vor­nehm­lich um Men­schen, die mit­tels eines aus­ge­strahl­ten Impul­ses über das Han­dy ihres Ver­stan­des beraubt wor­den sind und zu fern­ge­steu­er­ten Zom­bies mutieren.
Zum Inhalt:
Comic- und Skiz­zen­zeich­ner Clay Rid­del ist geschäft­lich in Bos­ton unter­wegs. Beim Spa­zier­gang durch die Stadt muss er mit anse­hen, wie ein Groß­teil der Men­schen, die ein Han­dy am Ohr haben, plötz­lich Amok lau­fen, über­ein­an­der her­fal­len und sich wie Tie­re zer­fetz­ten. Clay kommt schnell dahin­ter, dass das Han­dy der Aus­lö­ser ist. In Sor­ge um sei­ne Fami­lie schlägt sich Rid­del mit ein paar „nicht Han­dy Ver­rück­ten“ nach Nor­den durch.

Viel­schrei­ber Ste­phen King schafft es auch in die­sem Roman, die Span­nung bis zur let­zen Sei­te zu hal­ten und die Dra­ma­tik so zu beschrei­ben, dass man sich, bevor man in den Kel­ler geht, davon über­zeugt, nie­man­den hin­ter der Tür ste­hen zu haben.

Ein apo­ka­lyp­ti­scher Hor­ror­thril­ler, span­nend von der ers­ten bis zur letz­ten Seite.

Zu empfehlen — Urlaub in Holland

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Nicht nur der Sprach­mix der Hol­län­der führt teil­wei­se zu, aus unse­rer Sicht, kurio­sen Gebots­schil­dern, auch die Archi­tek­tur erscheint aben­teu­er­lich. Das Bild unten trügt übri­gens nicht. Das Hoch­haus ist tat­säch­lich in sich ver­dreht und geht nach oben schräg zu.

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[gese­hen in Vlissingen]