Der Anschlag von Manchester zeigt einmal mehr, wie verwundbar wir sind. Es wird niemand ernsthaft verurteilen wollen, wenn Angehörige und Überlebende nach einem solchen Anschlag mehr Überwachung fordern. Aber – tun sie das überhaupt?
Wenn man sich die Abfolge der Anschläge in Europa anschaut, ist es zumeist die Politik, die einhergehend mit diesen Greultaten mehr Überwachung fordert. Insbesondere der deutsche Bundesinnenminister begehrt regelmäßig eine Ausweitung der Überwachung.
Man kann der persönlichen Meinung sein, ein rechtstreues und unspektakuläres Leben und die Aussage: „Ich habe nichts zu verbergen“, wären Begründung genug, einer Erweiterung von Überwachungsmaßnahmen, auch des privaten Bereichs, zu zustimmen. Ich halte das für gefährlich. Mal abgesehen davon, dass z.b. ein Selbstmordattentat mittels Sprengstoffgürtel durch eine erweiterte Videoüberwachung aller Voraussicht nach nicht verhindert werden würde, gibt der Bürger mit seiner Zustimmung zu mehr Überwachung durch den Staat nicht nur einen Teil seiner Freiheit auf, sondern er ändert — oftmals unbewusst — auch das persönliche Verhalten.
Das Wissen der Überwachung löst eine Verhaltensänderung aus. Der Mensch steht zunehmend unter Beobachtungsdruck, selbst wenn er nicht überwacht wird. Die Wissenschaft spricht von einem Chilling Effect: Im vorauseilenden Gehorsam aufgrund einer echten oder auch nur vermeintlichen Überwachung beschränken und zensieren sich die Menschen selbst, um Konflikte zu vermeiden.
Diese Verhaltensänderung könnte eine Eigenbeschränkung bspw. der Grundrechte zur Folge haben; Ausdruck einer wirklichen Demokratie. Angefangen von der durch Überwachungsdruck erzeugten freiwilligen Beschränkung der Ausübung von Versammlungsrecht und der freien Meinungsäußerung, bis zur Einschränkung der Informationsbeschaffung. Nach einer Studie der Universität Toronto war diese Verhaltensänderung bereits nach den Enthüllungen des US-amerikanischen Whistleblower und ehemaliger CIA-Mitarbeiter Edward Snowden nachzuweisen.
Nachdem sie durch die Snowden-Enthüllungen von Internet-Überwachungsprogrammen erfahren haben, trauten sich Internetnutzer weniger, nach brisanten Informationen im Netz zu suchen. Nach dieser Studie leiden darunter insbesondere die politische Willensbildung und öffentliche Diskussion, Grundzüge einer Demokratie also.
Terror ist genau darauf ausgelegt. Terroristen geht es nicht so sehr darum, Menschen zu töten, vielmehr ist das Ziel von Terroristen immer auch eine Veränderung der jeweiligen Staatsform.
Durch Ausweitung von Überwachung könnte am Ende der Kausalkette nicht nur die Freiheit, sondern auch die Sicherheit eines demokratischen Staates auf dem Spiel stehen, wie es einer der Gründungsväter der USA in einem Zitat zusammenfasste:
"Wer bereit ist, Freiheit zu opfern, um Sicherheit zu gewinnen, verdient weder das eine noch das andere, und wird am Ende beides verlieren."
[Benjamin Franklin]