Zwei Jahre Ukraine Krieg – Was hat’s gebracht?

Vor zwei Jah­ren mar­schier­ten Putins Trup­pen in die Ukrai­ne ein, um dort eine mili­tä­ri­sche Spe­zi­al­ope­ra­ti­on zu füh­ren, wie Wla­di­mir Putin den Angriffs­krieg nannte.

Von Anfang an hat­ten füh­ren­de Mili­tärs vor einer mili­tä­ri­schen Auf­rüs­tung der Ukrai­ne gewarnt. Gene­ral Vad argu­men­tier­te damals, dass die Ukrai­ne die­sen Kon­flikt nicht gewin­nen kön­ne und dass er in einem lan­gen Zer­mür­bungs­krieg mit viel Leid, Toten und Zer­stö­rung enden werde.

Für sei­ne Aus­sa­gen wur­de Gene­ral a.D. Vad auch von den Medi­en buch­stäb­lich in der Luft zer­ris­sen. Dabei hat Vad nur das getan, was jeder mili­tä­ri­sche Füh­rer tut: die Lage ein­schät­zen und abwä­gen, ob die­se Ent­schei­dung zu einem mili­tä­ri­schen Erfolg führt oder nur Sol­da­ten ver­heizt. Was wir der­zeit hören, lässt eher den Schluss zu, dass Gene­ral Vad mit sei­ner Ein­schät­zung rich­tig lag.

Abge­se­hen davon, dass sowohl auf ukrai­ni­scher als auch auf rus­si­scher Sei­te Hun­dert­tau­sen­de Sol­da­ten ihr Leben ver­lo­ren haben, die Ukrai­ne in wei­ten Tei­len zer­stört sein dürf­te, Zivi­lis­ten lei­den, wer­den die Dis­kus­sio­nen, wie man der Ukrai­ne hel­fen kann, immer absurder.

Wie schon vor zwei Jah­ren hört man eher auf mili­tä­ri­sche Dilet­tan­ten und Sofa­krie­ger als auf jene, die von Berufs wegen etwas davon ver­ste­hen. Ob es die absur­de Idee Macrons ist, Boden­trup­pen in die Ukrai­ne zu schi­cken, oder der Vor­schlag, den Ukrai­nern Marsch­flug­kör­per zur Ver­fü­gung zu stel­len, die nicht zur Ver­tei­di­gung, son­dern zum Angriff auf weit ent­fern­te Zie­le gedacht sind, nichts scheint den Kriegs­trei­bern ver­rückt genug, um es nicht als Idee loszuwerden.

Die Begrün­dung ist immer die­sel­be: Die Ukrai­ne kämp­fe für Frei­heit und west­li­che Wer­te, also auch für uns.

Dass die Ukrai­ne das kor­rup­tes­te Land Euro­pas ist und ihre Staats­form von einer Demo­kra­tie in unse­rem Sin­ne weit ent­fernt ist, wird dabei ger­ne verschwiegen.

Jetzt hat sich ein wei­te­rer hoch­ran­gi­ger Ex-Mili­tär mit einem offe­nen Brief an die Regie­rung gewandt. Der ehe­ma­li­ge Bun­des­wehr­ge­ne­ral Gerd Schult­ze-Rhon­hof befürch­tet, dass „Deutsch­land lang­sam, aber wahr­schein­lich auf eine akti­ve Teil­nah­me an einem frem­den und sinn­lo­sen Krieg zugesteuert.“

In einem Schrei­ben vom Dezem­ber 2023, das Schult­ze-Rhon­hof an Hei­lig­abend 2023, an alle Par­tei­vor­sit­zen­den, Gene­ral­se­kre­tä­re der Par­tei­en, Frak­ti­ons­vor­sit­zen­de im Deut­schen Bun­des­tag und die Minis­ter­prä­si­den­tin­nen und Minis­ter­prä­si­den­ten der Bun­des­län­der ver­schickt hat, zeigt er neun theo­re­ti­sche Mög­lich­kei­ten und einen Vor­schlag einer mög­li­chen Befrie­dung des Kon­flikts auf.

Der offe­ne Brief des ehe­ma­li­gen Gene­rals im Wortlaut:

Ich habe nicht 37 Jah­re als Sol­dat gedient, um Deutsch­land den Frie­den zu bewah­ren, und um jetzt kom­men­tar- und taten­los zuzu­se­hen, wie Deutsch­land lang­sam, aber wahr­schein­lich auf eine akti­ve Teil­nah­me an einem frem­den und sinn­lo­sen Krieg zuge­steu­ert wird. Unse­re „Hei­li­gen Drei Köni­ge“, Herr Bun­des­kanz­ler Scholz, Herr Minis­ter Lind­ner und Herr Minis­ter Dr. Habeck, haben in ihren jun­gen Jah­ren zunächst alle den Wehr­dienst für Deutsch­lands Recht und Frei­heit und die Bewah­rung unse­rer Demo­kra­tie ver­wei­gert. Sie geben nun weit mehr als 10 Mil­li­ar­den Euro Steu­er­gel­der pro Jahr für das „Recht“, die „Frei­heit“, die „Demo­kra­tie“ und die “west­li­chen Wer­te” in einem frem­den Staat aus, der weder eine Demo­kra­tie ist noch west­li­che Wer­te ver­tritt. Sie ver­län­gern mit unse­ren Steu­er­gel­dern und dem Blut frem­der Wehr­pflich­ti­ger einen inzwi­schen sinn­los gewor­de­nen Krieg.

Die Ukrai­ne ist kei­ne Demo­kra­tie und ihre Wer­te sind nicht die unseren.

Die Ukrai­ne ist mit­nich­ten eine Demo­kra­tie und ihre Wer­te sind nicht die unse­ren. In der Ukrai­ne sind 11 Oppo­si­ti­ons­par­tei­en ver­bo­ten. Selen­skyj hat die ter­min­lich für März 2024 anste­hen­den Prä­si­dent­schafts­wah­len unter­sagt. In der Ukrai­ne sind alle Medi­en gleichgeschaltet. 

Aus der Ukrai­ne her­aus sind kei­ne ukrai­ne-kri­ti­schen Berich­te deut­scher Jour­na­lis­ten zuge­las­sen (aus Mos­kau her­aus sind russ­land­kri­ti­sche Kom­men­ta­re deut­scher Jour­na­lis­ten durch­aus üblich). In der Ukrai­ne sind poli­ti­sche Mor­de an der Tages­ord­nung (laut der 3‑Wo­chen-Pro­to­kol­le der Bun­des­zen­tra­le für Poli­ti­sche Bil­dung bis Kriegs­be­ginn ). Die Ukrai­ne und Russ­land sind gemein­sam die zwei kor­rup­tes­ten Staa­ten Euro­pas (laut Trans­pa­ren­cy International). 

Der Frei­kauf vom Wehr­dienst ist in der Ukrai­ne genau­so üblich wie in Russ­land. Die Ukrai­ne steht mit ihrem Sün­den­re­gis­ter von Brü­chen von Staats­ver­trä­gen und von Ver­let­zun­gen von UN Kon­ven­tio­nen und inter­na­tio­na­len Char­tas dem rus­si­schen Regis­ter in Häu­fig­keit und Schwe­re in nichts nach. Die Art und Häu­fig­keit von ukrai­ni­schen Kriegs­ver­bre­chen sind denen von rus­si­scher Sei­te gleich, ledig­lich der Miss­brauch kriegs­völ­ker­recht­lich geschütz­ter huma­ni­tä­rer Ein­rich­tun­gen als Schutz­schil­de für kämp­fen­de Trup­pen kommt allein auf ukrai­ni­scher Sei­te vor (laut Bericht des OSZE vom 29. Juni 2022).

Die­se Ukrai­ne ist weder eine Demo­kra­tie noch steht sie für unse­re Wer­te, wie uns die deut­schen Medi­en und die Mehr­heit unse­rer Par­tei­en vor­täu­schen. Die uns von offi­zi­el­ler Sei­te prä­sen­tier­te Inter­pre­ta­ti­on, dass die Ukrai­ne unse­re Wer­te mit­ver­tei­di­gen wür­de, ist so töricht wie Strucks „Deutsch­land-Ver­tei­di­gung am Hin­du­kusch“ es war. Ich erwar­te von den ehe­ma­li­gen Wehr­dienst­ver­wei­ge­rern im Bun­des­tag und in der Bun­des­re­gie­rung, dass sie sich – treu ihrer frü­he­ren Frie­dens­ge­sin­nung – aktiv für ein schnellst­mög­li­ches Ende des Krie­ges in der Ukrai­ne ein­set­zen und sich von ihren unrea­lis­ti­schen Phan­tom-Vor­stel­lun­gen eines Ukrai­ne-Sie­ges lösen. Von allen ande­ren Regie­ren­den und Par­la­men­ta­ri­ern erwar­te ich das Gleiche. 

Die Vor­stel­lung einer mög­li­chen Wie­der­ver­ei­ni­gung von zwei zer­strit­te­nen und sich inzwi­schen has­sen­den Tei­len eines Staats­volks, die bereits vor dem rus­si­schen Ein­marsch acht Jah­re Krieg gegen­ein­an­der geführt haben, zu einer zukünf­ti­gen Ukrai­ne alten Umfangs ist der Traum­tanz von Nar­ren. Zum Eifer der Mehr­heit der deut­schen Par­tei­en, den Ukrai­nern mit Geld und Waf­fen­lie­fe­run­gen doch noch zu einem Sieg zu ver­hel­fen, fällt mir ein Aus­spruch des rus­si­schen Gene­ral­leut­nants Alex­an­der Lebed ein, der im ers­ten Tsche­tsche­ni­en­krieg gesagt hat: „Las­sen Sie mich eine Kom­pa­nie aus den Söh­nen der Eli­te rekru­tie­ren und der Krieg wird am nächs­ten Tag vor­bei sein.“ ( Lebed war 1996 erfolg­lo­ser Prä­si­dent­schafts­kan­di­dat in Russland.)

Die Deut­schen sind es leid

Die zwei­te Fra­ge, um die es hier geht, ist, ob die Rus­si­sche Föde­ra­ti­on seit ihrem Rück­zug aus Mit­tel­eu­ro­pa den Wes­ten oder auch nur ein NATO-Land oder ein ande­res Nach­bar­land nach Ende des sowje­ti­schen Zer­falls­pro­zes­ses tat­säch­lich bedroht hat. Die­ser Fra­ge wer­de ich aus­führ­lich in der Begrün­dung zum jetzt nach­fol­gen­den Brief an die Damen und Her­ren Poli­ti­ker beant­wor­ten (sie­he unten).

Seit dem 15. August 2022 habe ich ver­sucht, hun­der­te von Abge­ord­ne­ten über die Vor­ge­schich­te des rus­si­schen Ein­marschs und die Vor­gän­ge inner­halb der Ukrai­ne auf­zu­klä­ren. Dann habe ich beim Herrn Bun­des­kanz­ler und ehe­ma­li­gen Kanz­lern und Spit­zen­po­li­ti­kern mit noch offe­nen Gesprächs­ka­nä­len zu Mos­kau eine deut­sche Initia­ti­ve zu einem raschen Kriegs­en­de vorgeschlagen. 

Mei­nen letz­ten Ver­such habe ich Weih­nach­ten 2023 mit dem nun nach­fol­gen­den Brief an Mit­glie­der der Bun­des­re­gie­rung, die Frak­ti­ons­füh­rer aller Par­tei­en im Bun­des­tag, an alle Par­tei­chefs und Gene­ral­se­kre­tä­re und an alle Minis­ter­prä­si­den­tin­nen und Minis­ter­prä­si­den­ten der Län­der geschickt. Mit Zustim­mung und über­haupt geant­wor­tet haben nur zwei Par­tei­chefs auf den Sei­ten­rän­gen des Ple­nar­saals, aber mit der Mit­tei­lung, sie könn­ten nichts ausrichten. 

Soeben erhal­te ich die höf­li­che, aber ableh­nen­de Ant­wort des Vor­sit­zen­den der größ­ten Oppo­si­ti­ons­par­tei, des­sen Ver­schwei­gen und Über­ge­hen der lan­gen Vor­ge­schich­te des Krie­ges ich nicht akzep­tie­ren und des­sen Unter­stel­lun­gen gegen­über Putin ich weit­ge­hend nicht bestä­ti­gen kann. Angeb­lich bewie­se­ne, aber unbe­rech­tig­te Unter­stel­lun­gen gehör­ten übri­gens auch zuhauf zum Zünd­stoff der zwei Welt­krie­ge. Trotz aller Höf­lich­keit macht die Ant­wort den Ein­druck, dass ihr Autor die Begrün­dung mei­nes Vor­schlags (sie­he unten) über­haupt nicht gele­sen hat.

Ein Teil des deut­schen Volks ist es inzwi­schen leid, nicht über die Hin­ter­grün­de des Ukrai­ne-Kriegs infor­miert zu wer­den und jähr­lich bei knap­pen eige­nen Haus­halts­kas­sen 10 bis 15 Mil­li­ar­den Euro in einen sinn­lo­sen, frem­den Krieg und das wei­te­re Ster­ben von Zig­tau­sen­den von Ukrai­nern und Rus­sen zu inves­tie­ren. Wenn die deut­sche Regie­rung unter Miss­ach­tung deut­scher Inter­es­sen ris­kiert, dass der Ukrai­ne-Krieg – wie ursprüng­lich auch von Bun­des­kanz­ler Scholz befürch­tet – zu einem Flä­chen­brand aus­ufert und auch Deutsch­land ein­be­zieht, muss das Volk selbst die Regie­rung an ihre ers­te Pflicht erinnern. 

Bis­her ist die über­wie­gen­de Mehr­heit der deut­schen Poli­ti­ker in ers­ter Linie an einem Sieg der Ukrai­ner und einer Nie­der­la­ge der Rus­sen inter­es­siert und erst nach­ran­gig an einem Frie­den. Bit­te lesen Sie mei­nen Weih­nachts­brief an die „Poli­tik“ (sie­he unten) und rei­chen Sie mei­ne Gedan­ken an ande­re Inter­es­sier­te wei­ter. Und ver­su­chen Sie, ihre Abge­ord­ne­ten von der auf­ge­zeig­ten Mög­lich­keit eines bal­di­gen Kriegs­en­des zu überzeugen.

Ihr Gerd Schultze-Rhonhof

Das Rund­schrei­ben vom Dezem­ber, das Schult­ze-Rhon­hof sie­ben Wochen zuvor, an Hei­lig­abend 2023, an alle Par­tei­vor­sit­zen­den, Gene­ral­se­kre­tä­re der Par­tei­en, Frak­ti­ons­vor­sit­zen­de im Deut­schen Bun­des­tag und die Minis­ter­prä­si­den­tin­nen und Minis­ter­prä­si­den­ten der Bun­des­län­der ver­schickt hatte:

Der Ukrai­ne-Krieg tobt bald zwei Jah­re und es ist kein Ende abzu­se­hen, auch kein prak­ti­ka­bler Anstoß aus Deutsch­land, der ein bal­di­ges Kriegs­en­de her­bei­zu­füh­ren könn­te. Nach­dem ich mich in die­ser Fra­ge erfolg­los und ohne Ant­wort mit einem Vor­schlag an Herrn Bun­des­kanz­ler Scholz und an den Herrn Frak­ti­ons­vor­sit­zen­den der SPD im Deut­schen Bun­des­tag gewen­det hat­te, schrei­be ich die­sen Brief nun an alle deut­schen Par­tei­vor­sit­zen­den, die Frak­ti­ons- und Grup­pen­vor­sit­zen­den im Deut­schen Bun­des­tag, die Gene­ral­se­kre­tä­re der Par­tei­en und die Damen und Her­ren Minis­ter­prä­si­den­ten der Län­der mit der Bit­te, die Bun­des­re­gie­rung zur Ver­mitt­lung einer raschen Frie­dens­lö­sung (…) zu drängen.

Der Ukrai­ne-Krieg ist bei nüch­ter­ner Berech­nung und Betrach­tung von kei­ner der bei­den Kriegs­par­tei­en zu gewin­nen, es sei denn, er ufert doch noch zu einem „Drit­ten Welt­krieg“ aus. Trotz­dem ali­men­tie­ren die USA, die NATO, die EU und inner­halb der genann­ten Staa­ten­ge­mein­schaf­ten mit zuvor­derst die Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land den Krieg, als sei er durch die Ukrai­ne zu gewin­nen. Das ist Bei­hil­fe zur mili­tä­ri­schen Kon­kurs­ver­schlep­pung der Ukrai­ne und die bewuss­te Inkauf­nah­me der Fort­set­zung der mas­sen­haf­ten Tötun­gen und Zer­stö­run­gen im Kriegs­ge­biet. Es wirkt so, als wähn­ten sich die in Deutsch­land füh­ren­den poli­ti­schen Kräf­te noch immer vor die mili­tä­ri­sche Wahl „Russ­land oder Ukrai­ne“ gestellt. Dabei soll­ten wir uns bewusst der poli­ti­schen Wahl „Krieg oder Frie­den“ stel­len. Bei­des zusam­men, ein mili­tä­ri­scher Sieg nur einer Kriegs­par­tei und ein auf Dau­er halt­ba­rer und Ver­söh­nung stif­ten­der Frie­de, ist nicht zu haben.

Bei nüch­ter­ner und objek­ti­ver Betrach­tung ste­hen Deutsch­land und unse­re euro­päi­schen Bünd­nis­part­ner bis­her vor acht (neu­er­dings neun) theo­re­tisch mög­li­chen Ent­wick­lun­gen. Alle bis­her dabei offe­nen Optio­nen ver­hei­ßen ein schlech­tes Ergeb­nis. Kei­ne endet bei etwas Bes­se­rem als bei einem ein­ge­fro­re­nen Waf­fen­still­stand. Kei­ne der Optio­nen führt zu einem ech­ten Frie­den. Die NATO, die EU und mit bei­den Deutsch­land befin­den sich mit ihrer bis­he­ri­gen Ukrai­ne-Poli­tik in einer Sackgasse.

Neun theo­re­ti­sche Möglichkeiten

Die erwähn­ten acht ( neu­er­dings neun) theo­re­ti­schen Mög­lich­kei­ten sind:

1. Russ­land siegt in dem Sin­ne, dass es die Herr­schaft über die Ukrai­ne über­nimmt. Dann befin­den sich Deutsch­land und der Wes­ten einer­seits und Russ­land ande­rer­seits wie­der zu bei­der­sei­ti­gem Nach­teil auf sehr lan­ge Zeit in einem Kal­ten Krieg gegeneinander.

2. Die Ukrai­ne siegt in dem Sin­ne, dass sie alle bis­her von Russ­land besetz­ten Gebie­te zurück­er­obert. Dann droht den cir­ca acht Mil­lio­nen rus­si­schen Staats­an­ge­hö­ri­gen der Ukrai­ne eine furcht­ba­re Ver­fol­gung und Bestra­fung. Staats­prä­si­dent Selen­skyj hat das mehr­fach ange­kün­digt. Und Deutsch­land droht die nächs­te Flüchtlingswelle.

3. Es gibt ein mili­tä­ri­sches Patt auf dem Schlacht­feld ohne anschlie­ßen­de ein­ver­nehm­li­che Frie­dens­lö­sung. Dann ste­hen wir vor einer euro­päi­schen „Korea-Lösung“ mit Kal­tem Krieg und dau­er­haf­tem Gefah­ren­herd in Europa.

4. Der Krieg wird ohne Patt und Sieg end­los fort­ge­setzt. Dann wer­den noch Hun­dert­tau­sen­de von Ukrai­nern und Rus­sen sinn­los ster­ben und ver­stüm­melt. Die Ukrai­ne wird wei­ter zer­stört und Deutsch­land wird ohne Ende wei­ter­zah­len und Waf­fen in die Ukrai­ne liefern.

5. Es wird ver­han­delt. Dann gibt es bei den bis­her vor­ge­brach­ten gegen­sei­ti­gen Vor­be­din­gun­gen bei­der Kriegs­par­tei­en und der inzwi­schen ein­ge­tre­te­nen Ver­här­tung der Posi­tio­nen und des Has­ses und durch die mit Sicher­heit zu erwar­ten­den Ein­mi­schun­gen der NATO, der EU und der USA ein mona­te­lan­ges, wenn nicht jah­re­lan­ges Gezer­re. Dem­entspre­chend „lau­fen“ die Zer­stö­run­gen und Men­schen­op­fer wei­ter. Bei den augen­blick­lich vor­lie­gen­den ukrai­ni­schen und rus­si­schen Ver­hand­lungs­vor­be­din­gun­gen wird es vor­her­seh­bar nicht ein­mal zu Ver­hand­lun­gen kommen.

6. Es kommt zu einem Waf­fen­still­stand. Waf­fen­still­stän­de sind kei­ne Lösung des Kriegs­pro­blems son­dern ledig­lich ein Ver­fah­rens­schritt. Danach muss es zu einem Inter­es­sen­aus­gleich zwi­schen den ver­fein­de­ten Nach­bar­staa­ten Ukrai­ne und Rus­si­sche Föde­ra­ti­on kom­men. Zu einem Inter­es­sen­aus­gleich sind der­zeit weder bei den Kriegs­par­tei­en noch in der NATO, noch in der EU, noch in den USA, noch in der „poli­ti­schen Welt“ Deutsch­lands Bereit­schaft und Anzei­chen zu erkennen.

7. Die Ukrai­ne nähert sich erkenn­bar einer Nie­der­la­ge. Dann besteht die Gefahr, dass die NATO und damit auch die USA und Deutsch­land in den Krieg ein­grei­fen. Alle bis­he­ri­gen Bei­stands­ver­spre­chen aus den NATO- und EU-Staa­ten wei­sen trotz gegen­tei­li­ger Behaup­tun­gen dar­auf hin.

8. Die NATO greift in den Ukrai­ne­krieg mit eige­nen Trup­pen ein. Dann besteht die Gefahr, dass Russ­land an die Gren­ze sei­ner Ver­tei­di­gungs­fä­hig­keit kommt und beim Risi­ko der eige­nen Nie­der­la­ge tak­ti­sche Atom­waf­fen in Euro­pa ein­setzt. Russ­land wird den Ein­satz stra­te­gi­scher Atom­waf­fen gegen die USA nicht wagen, und der Krieg wird in unse­rem Euro­pa aus­ge­foch­ten wer­den. Nahe­lie­gen­de Zie­le für rus­si­sche tak­ti­sche Atom­waf­fen in Euro­pa wären die US-Füh­rungs­zen­tra­len, aus denen jetzt schon die ame­ri­ka­ni­sche Unter­stüt­zung der Ukrai­ne gelie­fert und gesteu­ert wird, Ram­stein und Wies­ba­den. ( Ergän­zung vom 6.2.2024 aus dem Tucker Carlson-Putin-Inter­view, 69. Min u 40. Sek: Carlson zitiert US Sena­tor vom 5.2.2024 aus US-Debat­te über US-Ukrai­ne­hil­fe: „Ent­we­der wir unter­stüt­zen jetzt die Ukrai­ne oder US Sol­da­ten wer­den auf­mar­schie­ren und in der Ukrai­ne kämpfen.“ )

9. Die USA zie­hen sich nach der nächs­ten Prä­si­den­ten­wahl gänz­lich aus der finan­zi­el­len und mate­ri­el­len Unter­stüt­zung der Ukrai­ne zurück. Dann wer­den die EU und mit ihr ihr Haupt­fi­nan­zier Deutsch­land die Ukrai­ne mit stark erhöh­ten Eigen­leis­tun­gen so erfolg­los wie bis­her wei­ter unter­stüt­zen und den Krieg „am Köcheln“ hal­ten. Alle Treue- und Bei­stands­ver­spre­chen aus Brüs­sel und Ber­lin las­sen dar­auf schlie­ßen. Damit wür­de Deutsch­land wei­ter und stär­ker als bis­her in den Schul­den­sumpf der Ukrai­ne hineingezogen.

Aus­weg über einen neu­en Ansatz

Da alle bis­her ver­such­ten Lösun­gen zu nichts als zu wei­te­ren Kriegs­ver­län­ge­run­gen geführt haben, muss ein Aus­weg über einen ande­ren Ansatz gefun­den wer­den. Der Ansatz zu einem bal­di­gen Kriegs­en­de kann ein Schieds­spruch in Form eines kom­plett und umfas­send aus­for­mu­lier­ten Frie­dens­ver­trags sein, der für bei­de Kriegs­par­tei­en ver­han­del­bar ist. 

Der Vor­schlag muss die vita­len Inter­es­sen ( nicht For­de­run­gen ) der bei­den krieg­füh­ren­den Völ­ker – Ukrai­ner und Rus­sen – befrie­di­gen, bei­den Sei­ten dem­entspre­chend ver­nünf­ti­ge Ver­zichts­leis­tun­gen abver­lan­gen, dem Selbst­be­stim­mungs­recht der betrof­fe­nen Wohn­be­völ­ke­rung genü­gen und ein Ergeb­nis prä­sen­tie­ren, das nach wei­te­rem Kriegs­ver­lauf bei nüch­ter­ner Betrach­tung ohne­hin zu erwar­ten ist. 

Das Ver­fah­ren des Schieds­spruchs hat im vori­gen Jahr­hun­dert zwei­mal den Aus­bruch von „in der Luft lie­gen­den“ Krie­gen ver­hin­dert. Mit Vor­schlag eines sol­chen Ver­trags­tex­tes könn­ten bei­de Kriegs­par­tei­en beur­tei­len, ob sie sich auf sei­ner Grund­la­ge annä­hern und ohne „unver­han­del­ba­re“ Vor­be­din­gun­gen ver­han­deln und eini­gen könn­ten oder ob sie die Fort­set­zung des Blut- und Opfer­gangs des Krie­ges bevor­zu­gen. Der Schieds­spruch soll­te von Deutsch­land, Frank­reich und Ita­li­en – und aus guten Grün­den nur von die­sen – den zwei Kriegs­par­tei­en unter­brei­tet werden.

Alle bis­he­ri­gen Ver­hand­lungs­auf­for­de­run­gen aus NATO- und EU-Krei­sen waren mit ein­sei­ti­gen Ver­zichts­be­din­gun­gen aus­schließ­lich an Russ­land ver­knüpft und des­halb untaug­lich. Nahe­zu allen bis­he­ri­gen Auf­for­de­run­gen fehl­te ein kon­kre­tes Ange­bot an Russ­land. Ich habe 20 Jah­re lang über die Ursa­chen von Krie­gen, über Frie­dens­be­mü­hun­gen und Frie­dens­ver­trä­ge geforscht und Bücher dar­über geschrieben. (…)

Ich bit­te Sie, inner­halb der Bun­des­re­gie­rung für eine deut­sche Frie­dens­in­itia­ti­ve ein­zu­tre­ten. Mit dem Zei­chen mei­ner Hochachtung

Gerd Schult­ze-Rhon­hof

5 Comments

  1. Har­ter Stoff! Ich gehe bis­her davon aus, dass die Linie der Bun­des­re­gie­rung nicht “Ukrai­ne muss sie­gen” ist, son­dern “Putin darf sei­nen Angriffs­krieg nicht gewin­nen”, sonst mache er wei­ter: Mol­dau als nächstes…

    Ob man der Ukrai­ne vor­wer­fen kann, als ange­grif­fe­nes Land im Krieg kei­ne Wah­len durch­zu­füh­ren, bezweif­le ich. Wie kor­rupt das Land heu­te noch ist, kann ich nicht beur­tei­len, aber wenn man “Ukrai­ne Refor­men” goo­gelt, fin­den sich erheb­li­che Ver­bes­se­run­gen, zuvor und auch wäh­rend des Kriegs.

    2016: EU report: Ukrai­ne car­ry­ing out unpre­ce­den­ted reforms
    https://www.eeas.europa.eu/node/17066_en

    2023: Ana­ly­se: Zwi­schen Kriegs­recht und Reformen.
    https://www.bpb.de/themen/europa/ukraine-analysen/nr-285/521390/analyse-zwischen-kriegsrecht-und-reformen-die-innenpolitische-entwicklung-der-ukraine/

    Die Situa­ti­on ist ver­fah­ren und weiß nicht, ob man bei all dem ent­stan­de­nen Hass die bei­den Sei­ten an den Ver­hand­lungs­tisch bekom­men könn­te. Bei­de haben für die ande­re Sei­te uner­füll­ba­re Vor­be­din­gun­gen, aber der Unter­schied bleibt: Putin ist der Angrei­fer, also liegt es nahe, den Ange­grif­fe­nen zu hel­fen. Momen­tan sieht es auch lei­der so aus, dass die Rus­sen im Vor­marsch sind und der Wes­ten in Sachen mili­tä­ri­scher Unter­stüt­zung schwä­chelt. Was soll­te Putin dazu bewe­gen, in die­ser Situa­ti­on zu verhandeln?

    Eine ver­fah­ren­de, furcht­ba­re Situa­ti­on, deren Aus­weg­s­lo­sig­keit sicher auch ihr Teil dazu bei­trägt, dass die Aggres­si­vi­tät hier­zu­lan­de steigt — eben­so wie der sich ver­schär­fen­de Kli­ma­wan­del und die Infla­ti­on. Ich nen­ne es “Zukunfts­ver­lust”: Kei­ne Aus­sich­ten auf Bes­se­rung, ganz im Gegen­teil immer mehr Gefahren.

  2. Hal­lo Claudia,

    zumin­dest die Außen­mi­nis­te­rin sieht das anders.

    Das poli­ti­sche Sys­tem ist ähn­lich wie in Russ­land; der Prä­si­dent hat weit­rei­chen­de Rech­te und der hat die Wah­len für 2024 abgesagt.

    Bei der gan­zen Dis­kus­si­on geht es auch eher sozu­sa­gen um die Logik des Krie­ges. Die wer­den nun­mal völ­lig empa­thie­frei von den hohen Mili­tärs geführt. Als Gene­ral muss ich lei­den­schafts­los abwä­gen, ob sich ein Krieg “lohnt” oder schlimms­ten­falls am Ende der Abnut­zungs­krieg ohne Gelän­de­ge­winn steht.

    Wenn hohe Mili­tärs also davor war­nen, einen Kon­flikt aus deren mili­tä­ri­scher Erfah­rung her­aus zu unter­stüt­zen, dann soll­te man zumin­dest hinhören.

    Der Reflex hel­fen zu wol­len ist gut und gilt für das zivi­le Leben, aber eben nicht in jeder Situa­ti­on für einen bewaff­ne­ten Konflikt.

    Jeder Sol­dat, der län­ger gedient hat, hat das gelernt. Das Kriegs­hand­werk ver­langt oft­mals ande­res, als das, was im zivi­len Mit­ein­an­der als rich­ti­ge Hand­lungs­wei­se aner­kennt ist.

  3. Gerd Schult­ze-Rhon­hof gilt als geschichts­re­vi­sio­nis­ti­scher Autor, er hat ein Buch mit dem Neu­rech­ten Götz Kubi­scheck ver­öf­fent­licht. Ich ver­ste­he nicht, wes­halb die Exper­ti­se die­ses Man­nes mehr zäh­len soll­te als das ande­rer Mili­tärs in ver­gleich­ba­rem Rang.

    Ermög­li­cher für die erfolg­te Eska­la­ti­on ist IMHO eine Ände­rung der deut­schen Hal­tung von einer jahr­zehn­te­lang bewähr­ten inter­es­sen- zu einer wer­te­ge­lei­te­ten Poli­tik. Man­che ver­wen­den das Wort Wer­te syn­onym für Moral.

    All die Men­schen, die Zwei­fel haben an der (west­li­chen) deut­schen Unter­stüt­zung der Ukrai­ne, kann ich ver­ste­hen. Aber kei­ner kann ernst­haft behaup­ten, dass nicht die Gefahr besteht, dass Russ­land sei­nen impe­ria­lis­ti­schen Kurs wei­ter­führt. Wir müs­sen dage­gen hal­ten und haben — bei Lich­te betrach­tet — dafür kei­ne erfolgs­ver­spre­chen­den Tools. Ich den­ke da an unse­re Vor­stel­lung, mit Sank­tio­nen die Rus­sen in die Knie zwin­gen zu kön­nen. Inzwi­schen zeigt sich die gan­ze Lächer­lich­keit die­ser Annah­me. Wie war gleich das Wirt­schafts­wachs­tum der Rus­sen im Ver­gleich mit unserem?…

    1. Hal­lo Horst,

      man muss nicht die poli­ti­sche Grund­hal­tung gut fin­den, um die fach­li­che Ein­schät­zung eines Exper­ten anzu­er­ken­nen. Auch sehe ich nicht, dass die Exper­ti­se des Ex-Gene­rals in irgend­ei­ner Art mehr Gewicht hät­te als die ande­ren Mili­tärs, schließ­lich hat sich Gene­ral a.D. Vad ähn­lich geäußert.

      War­um sich nicht mehr Mili­tärs geäu­ßert haben, liegt ganz ein­fach dar­an, dass für Offi­zie­re und Unter­of­fi­zie­re poli­ti­sche Zurück­hal­tung eine der Direk­ti­ven des Mili­tärs ist.

      Der Begriff Moral ist im Zusam­men­hang mit bewaff­ne­ten Kon­flik­ten – direkt oder unter­stüt­zend – fehl am Platz. Es gibt sie schlicht­weg nicht. Was es gibt sind poli­ti­sche und/oder wirt­schaft­li­che Inter­es­sen der kriegs­füh­ren­den und unter­stüt­zen­den Län­der. Auch sehe ich nicht, wie eine Unter­stüt­zung der Ukrai­ne, Putin dar­an hin­dern soll­te, sei­nen impe­ria­len Feld­zug im Osten wei­ter zu führen.

      Ich hal­te aller­dings die Theo­rie, Putin wür­de nach der Ukrai­ne in Euro­pa ein­mar­schie­ren für aus­ge­mach­ten Blöd­sinn. Putin mag macht­be­ses­sen sein, blöd ist er sicher nicht.

      Wie auch immer, die neun Theo­rien des Ex-Gene­rals erschei­nen mir ziem­lich schlüs­sig und auch der Lösungs­an­satz ist für mich ziem­lich logisch, zumin­dest dann, wenn man wei­te­res Ster­ben von Sol­da­ten auf bei­den Sei­ten, die weit­ge­hen­de Zer­stö­rung der Ukrai­ne und mil­lio­nen­fa­ches Leid in der ukrai­ni­schen Zivil­be­völ­ke­rung ver­hin­dern will.

      Da wären wir dann wie­der bei der von Dir beschrie­ben Moral – auch wenn alle Plan­spie­le von Mili­tärs weni­ger mit mora­li­schen Vor­stel­lun­gen als mit Effi­zi­ents zu tun haben.

  4. Nach noch­ma­li­gem Lesen: Ich unter­stüt­ze zu 100% die Aus­sa­gen von Gerd Schultze-Rhonhof!
    Mei­ner Mei­nung nach muss das mög­lichst breit gestreut wer­den… hm.
    Ich wer­de mir wei­te­re Gedan­ken machen, denn: So geht es nicht weiter.

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