Urlaub

Wen es um sehens­wer­te Städ­te geht, liegt Brüg­ge in Bel­gi­en wohl auf der Bewer­tungs­ska­la ganz oben. Zumin­dest dann, wenn der Urlaub in die Nie­der­lan­de an die Wes­ter­schel­de geht, lohnt ein Tages­aus­flug ins benach­bar­te Belgien.

Die Stadt war im Spät­mit­tel­al­ter als Zen­trum des Fern­han­dels einer der reichs­ten Städ­te in Euro­pa. Da Brüg­ge von Krie­gen nie zer­stört wur­de, ist der mit­tel­al­ter­li­che Stadt­kern immer noch so erhalten.

Brüg­ge lohnt aller­dings auch wegen sei­ner zahl­rei­chen klei­nen Läd­chen. Vie­le der reich­lich vor­han­de­nen Bon­bon — und Scho­ko­la­den­lä­den sind optisch so gestal­tet, dass das Inte­rieuer prak­tisch farb­lich zu explo­die­ren scheint.

Der Greis ist heiss

Wenn Udo Lin­den­berg ein­lädt, kom­men alle. So auch ges­tern- in der Schal­ke Are­na in Gel­sen­kir­chen ver­sam­mel­ten sich ca. 40.000 Fans, die Udo’s neu­es Album, aber auch vie­le alte Songs hören wollten.

Udo ist eigent­lich wie immer und man kann sich sicher sein, dass sei­ne Büh­nen­shows – auch wie imer – jedes mal einen neu­en Super­la­tiv zum Beschrei­ben suchen.

Um kurz nach acht Uhr schwebt Udo Lin­den­berg auf einer Platt­form am Stahl­seil in die Veltins- Are­na in Gelsenkirchen.

Von da an geht’s show­mä­ßig Schlag auf Schlag, Auf der Rie­sen­büh­ne pufft, qualmt es, es lodern Feu­er und the­ma­tisch zu Udos neu­en und alten Lie­dern prä­sen­tiert das Team Bil­der aus sei­nen Kindertagen.

Bei Onkel Pö oder der Ree­per­bahn sor­gen die Tech­ni­ker mit einer gigan­ti­schen Licht­show für die ent­spre­chen­de Atmo­sphä­re und ver­set­zen den Zuschau­er visu­ell in die bekann­te Knei­pe oder auf die Ree­per­bahn der sieb­zi­ger Jahre.

Klar, der “Panik-Rocker” ist inzwi­schen sieb­zig und das aus­schwei­fen­de Leben zollt sei­nen Tri­but – was soll’s – Udo wäre nicht Udo, wenn er das nicht wüss­te und galant wie char­mant sei­ne Damen­crew auf der Büh­ne die ganz hohen Ton­pas­sa­gen sin­gend überließ.

Über­haupt Büh­ne: Wie immer war nicht nur Platz für sei­nen Auf­tritt – wenn­gleich man nur all­zu genau wuss­te, wer der Chef im Ring ist – drei­ßig vier­zig Mit(be)streiter waren mit ihm zustän­dig für Gesang und Showeinlage.

Zwi­schen­drin schweb­te immer etwas von der Decke – sei es ein Rie­sen­cel­lo mit drei räkeln­den Mädels oder ein Ufo mit dem oft besun­ge­nen Ger­hard Gösel­brecht – der mit den Anten­nen an den Ohren.

Ein Ständ­chen zum Sieb­zigs­ten gab’s auch vom Publi­kum und sei­nen Mit­be­woh­nern aus der Jugend­zeit: Mari­us Mül­ler-Wes­tern­ha­gen brach­te das pas­sen­de Ständ­chen „Sexy“ und Otto Wal­kes schmet­ter­te High­way to Hell. Klaus Dol­din­ger – inzwi­schen auch schon acht­zig Jah­re alt gra­tu­lier­te mit einem Jazzsolo.

Die Ziel­grup­pe ansons­ten ist klar umris­sen: Udo Fans, die die Fünf­zig bereits hin­ter sich gelas­sen haben.

Die aller­dings kamen voll auf ihre Kos­ten. Mit einer guten Mischung zwi­schen neu­en und alten Songs hielt es selbst oben auf der Tri­bü­ne die ange­grau­ten Fans nicht auf ihren Plätzen.

Mit ste­hen­den Ova­tio­nen ent­lie­ßen sie ihren Udo, der im Raum­an­zug geklei­det schwe­bend die Are­na nach drei Stun­den verließ.

Keine Panik

„Im Som­mer ‚46 kam ich als Kind zur Welt, ich fiel direkt vom Him­mel auf ein D‑D-Dop­pel­korn­feld.“ (Udo Lin­den­berg- Mit dem Sak­ko nach Monaco)

Ich erin­ne­re mich an eine Geschich­te mit Udo Lin­den­berg, in der tat­säch­lich ein Kum­pel ihn, den gro­ßen Udo, am Tele­fon hatte.

Aller­dings war der Kum­pel so auf­ge­regt, dass der außer sei­nem Namen kein Wort rausbrachte.

Udo Lin­den­berg war damals eine Art Ersatz­re­li­gi­on, er traf genau den Nerv der Zeit und war für uns der gro­ße Visio­när. Kei­ne Par­ty, auf der sich nicht spä­tes­tens ab 10.00 Uhr eine Plat­te mit Lin­den­berg-Songs auf dem Plat­ten­tel­ler drehte.

Generv­te Eltern (und auch Nach­barn, mit zuneh­men­der bes­se­rer und watt­stär­ke­rer musi­ka­li­scher Aus­stat­tung) , generv­te Nicht-Fans und generv­te Freun­din­nen, ob der stän­di­gen Berie­se­lung durch Udo Lin­den­berg Songs.

Heu­te wird Udo Lin­den­berg sieb­zig, sei­ne Fans sind mit ihm älter gewor­den – und kom­men natür­lich am Frei­tag zur Auf­takt­tour­nee anläss­lich des neu­en Albums nach Gel­sen­kir­chen — Mit­sin­gen inklusive.

Schmickler in Soest

© Ilo­na Klimek — Mit freund­li­cher Genehmigung
„Auf­hö­ren! Auf­hö­ren, Herr Becker!“. Beim Run­ning-Gag am Schluss der Sen­dung Mit­ter­nachts­spit­zen, weiß der Zuschau­er: Jetzt kommt Schmick­ler. Er ist einer der ganz weni­gen Kaba­ret­tis­ten, die in Tei­len des Pro­gramms der Fra­ge nach Lachen oder betrof­fe­nes Schwei­gen offen las­sen kann.

Am Don­ners­tag in Soest prä­sen­tier­te sich der Wort­akro­bat aller­dings fried­li­cher als sonst. Wenn Wil­fried Schmick­ler wort­ge­wal­tig zuschlägt, tut’s nor­mal weh. So natür­lich auch in Soest, aber etwas zah­mer, was der Ver­an­stal­tung kei­nen Abbruch tat, zumal in der ers­ten Rei­he, in der sich merk­li­che Erleich­te­rung breit mach­te, als klar war, dass Schmick­ler min­des­tens zu sei­nem Publi­kum freund­lich ist.

Ob Schmick­ler will oder nicht, er ist die mora­li­sche Instanz einer ansons­ten ziem­lich ver­kom­men Repu­blik. Er schafft das ohne Atti­tü­den, ohne erho­be­ne Zei­ge­fin­ger, weil er weder sich noch irgend­wen aus­nimmt. Er ist der kom­pro­miss­lo­se Mora­list mit der ehr­li­chen Haut.
„Das Letz­te“ heißt sein aktu­el­les Pro­gramm und war guter Grund, die voll­be­setz­te Stadt­hal­le in Soest aufzusuchen.

„Immer mehr Men­schen in Deutsch­land fal­len ab vom Glau­ben an die Grund­ord­nung und fül­len das ent­ste­hen­de Vaku­um mit Miss­trau­en und Hader: Poli­ti­ker? Alle Ver­bre­cher! Medi­en? Alle ver­lo­gen! Frem­de? Alle verdächtig!“

Rot­zig, trot­zig mit der ihm eige­nen sym­pa­thi­schen schlech­ten Lau­ne Ges­tik zeig­te Schmick­ler dem Publi­kum in Soest, dass er alle Ton­ar­ten dar­stel­len­der Kunst beherrscht.

Fast poe­tisch wur­de es immer dann, wenn Schmick­ler zum Mikro griff und in schöns­ter Chan­son-Manier nach­denk­lich wur­de, ohne Biss zu verlieren.

In die­sem Sin­ne: „Wei­ter­ma­chen! Wei­ter­ma­chen, Herr Schmickler!“

Kann Jan?

Was darf die Satire?

Alles — wenn es nach Tuchol­sky geht. Darf jeder Sati­re? Auch das, wenn jemand danach ist. Ob jeder Sati­re kann, ist die Fra­ge, die sich im Fall Jan Böh­mer­mann stellt.

Und da sind wir bei der Kunst­frei­heit, der Begriff defi­niert, was Sati­re ist und was nicht. Die Frei­heit der Kunst ist ein wesent­li­ches Merk­mal demo­kra­ti­scher Grund­ord­nung. Sati­re ist Kunst, sie muss noch nicht ein­mal beson­ders wit­zig ein.

Dass nun der tür­ki­sche Staats­chef eine Anzei­ge wegen „Majes­täts­be­lei­di­gung“ gestellt hat, zeugt von sei­ner Ein­stel­lung: Erdo­gan sieht sich offen­sicht­lich nicht als gewähl­tes Staats­ober­haupt mit einer vom Volk legi­ti­mier­ten Macht.

Mit dem Hin­weis auf einen offen­bar selt­sa­men Humor der Deut­schen, hät­te Erdo­gan den Spieß umdre­hen können.

Das hat er ver­passt und geriert sich, im Gegen­teil, als belei­dig­ter Monarch.

Je mehr Erdo­gan um sich schlägt, des­to mehr dürf­ten die Rich­ter bei einer mög­li­chen Ankla­ge gegen Böh­mer­mann in der Urteils­be­grün­dung das Pam­phlet als Kunst definieren.

Mitten in Absurdistan

Die West­fa­len­post schrieb in ihrem Leit­ar­ti­kel ges­tern, dass ein Groß­teil der Wäh­ler der AFD aus dem Bereich des Pre­ka­ri­ats kommt. Die­se Wäh­ler haben offen­sicht­lich das Wahl­pro­gramm der AFD nicht gele­sen, denn, in dem die AFD unter ande­rem die Abschaf­fung des Sozi­al­staats postuliert.

Frei nach Brecht: „Nur die dümms­ten Käl­ber wäh­len ihren Schlach­ter selbst“, muss man fest­stel­len, dass Hys­te­rie kein guter Rat­ge­ber zu sein scheint. Anders erklärt sich nicht, war­um man als Arbeits­lo­ser für die Abschaf­fung der Arbeits­lo­sen­ver­si­che­rung stim­men kann.

Viel­leicht ist das eine Erklä­rung, aller­dings scheint es in Deutsch­land auch wie­der zeit­ge­mäß zu sein — und das gilt dann für alle Schich­ten der Bevöl­ke­rung — nach unten zu tre­ten. Die Schwächs­ten der Gesell­schaft sind offen­bar ein Ven­til der eige­nen Versagerängste.

Wenn man mit “Ich hab’ ja nix gegen Flücht­lin­ge, aber..” Mit­bür­gern in die Dis­kus­si­on um das Wahl­er­geb­nis der AFD bei den Land­tags­wah­len ein­steigt, zeigt sich ganz schnell, dass die ratio­na­le Denk­wei­se erheb­lich blo­ckiert sein muss, denn die meis­ten der Argu­men­te ent­zie­hen sich der logi­schen Begründung.

Das The­ma Flücht­lin­ge ist offen­bar emo­tio­nal so besetzt, dass es die Ver­nunft ausschließt.

Nur weni­ge Mit­bür­ger pro­tes­tier­ten bei­spiels­wei­se auf dem Höhe­punkt der Euro­kri­se, in des­sen Ver­lauf die Bun­des­re­gie­rung mit rd. 200 Mil­li­ar­den Euro am Euro-Ret­tungs­schirm betei­ligt ist.

Geret­tet wer­den zumeist Ban­ken, denn die Ban­ken­ret­tung wird mit der Begrün­dung der Sys­tem­re­le­vanz begrün­det. Die Maß­nah­men [700 Mil­li­ar­den Euro-Ret­tungs­schirm] sol­len dazu die­nen „die finan­zi­el­le Sta­bi­li­tät im gesam­ten Euro-Wäh­rungs­ge­biet zu sichern“.

Flücht­lin­ge sind nicht sys­tem­re­le­vant, bei vie­len geht es ums nack­te Überleben.

Beim Pro­test gegen die Flücht­lings­po­li­tik der Bun­des­re­gie­rung hin­ge­gen, schä­men sich eini­ge Mit­bür­ger auch nicht mehr, die häß­li­che Frat­ze des Has­ses offen zur Schau zu stellen.

Tat­säch­lich zeigt sich im Ver­gleich, dass die Kos­ten der Flücht­lings­kri­se einen Teil des­sen aus­macht, was für die Ret­tung der Ban­ken bis­her gebraucht wurde.

„Unter­brin­gung, Ver­pfle­gung sowie Inte­gra­ti­ons- und Sprach­kur­se für Flücht­lin­ge wer­den den Staat nach einer Pro­gno­se des Köl­ner Insti­tuts der deut­schen Wirt­schaft (IW) 2016 und 2017 knapp 50 Mil­li­ar­den Euro kos­ten.“ Quel­le

Noch­mal als Erin­ne­rung: Beim ers­ten Fall geht es um die Ret­tung von Ban­ken in Euro­pa, im zwei­ten Fall geht es um Menschenleben.

Vor dem Hin­ter­grund könn­te das Zitat: „Den Wert einer Gesell­schaft erkennt man immer dar­an, wie sie mit den Schwächs­ten umgeht“, tat­säch­lich dazu füh­ren, dass der Deut­sche sor­gen­voll und ängst­lich in die Zukunft bli­cken muss.

Aus Angst näm­lich vor der Unan­stän­dig­keit des eige­nen Volks.

Sorgen der Bürger

“Die feind­se­li­gen Gefüh­le sind bei man­chem zur offe­nen Ableh­nung gewor­den, seit Mas­sen von Neu­an­kömm­lin­gen spür­bar den Arbeits­markt belas­ten und, mehr noch, seit auch Zuzüg­ler ein­tref­fen, die offen­bar gar kei­ne regu­lä­re Arbeit suchen, son­dern sich in ers­ter Linie um Sozi­al­hil­fe bemü­hen und sich auch sonst nicht in die gän­gi­gen Vor­stel­lun­gen von bür­ger­li­cher Wohl­an­stän­dig­keit fügen.”


Nein, es geht nicht um die aktu­el­le Flücht­lings­kri­se. Der Text ist bereits 26 Jah­re alt und bezog sich auf die eige­nen Lands­leu­te, Über­sied­ler aus der ehe­ma­li­gen DDR. Inter­es­san­ter Wei­se ist es offen­sicht­lich mit dem Patrio­tis­mus, der den Rech­ten als Legi­ti­ma­ti­on zur Ableh­nung von Flücht­lin­gen aus ande­ren Län­dern dient, dem­nach nicht weit her.

Mit Frau Petry im Boot

Als EU-Kom­mis­sar braucht man augen­schein­lich eini­ges nicht zu kön­nen. Eng­lisch zum Bei­spiel. Zumin­dest gilt das für Gün­ther Oet­tin­ger, EU-Kom­mis­sar für Digi­ta­les in Brüs­sel, der mit sei­nem Aus­spruch von: „We are all Sit­ting in one boat“, vor ein paar Jah­ren die Medi­en und die Inter­net­ge­mein­de begeisterte.

Zur glei­chen Zeit bewies Oet­tin­ger auch Geschichts­ver­ges­sen­heit, als er näm­lich den füh­ren­den Mari­ne­st­abs­rich­ter der NS-Zeit und spä­te­ren Minis­ter­prä­si­den­ten von Baden-Würt­tem­berg, Hans Fil­bin­ger zum Wider­stands­kämp­fer in der Nazi Zeit machen wollte.

Zu den Men­schen, die immer wie­der ins Wes­pen­nest fas­sen müs­sen gehört Gün­ther Oet­tin­ger zwei­fels­frei, der neben­bei bemerkt nicht im Ver­dacht steht, der deut­sche Geor­ge Cloo­ney zu sein und so für sich rekla­mie­ren könn­te, bei Frau­en einen gehö­ri­gen Schlag zu haben.

Aber auch das ficht den EU-Kom­mis­sar nicht an und so ent­blö­de­te er sich nicht sei­nen Quark in der der Debat­te um die Füh­rung der AFD kund­zu­tun: “Wenn die komi­sche Petry mei­ne Frau wäre, wür­de ich mich heu­te Nacht noch erschie­ßen”, soll er sich laut zeit.de wenig galant auf einer Ver­an­stal­tung in Ber­lin geäu­ßert haben.

Danach hat­te nach Zeit-online Anga­be zwar nie­mand gefragt, den­noch scheint es ein Grund­be­dürf­nis Oet­tin­gers zu sein, auch mal unge­fragt eini­ges zum Bes­ten zu geben.

Schön jeden­falls ist der Kom­men­tar eines[r] gewis­sen Tul­li­us Nix­als­ver­drus: “Die bei­den hät­ten ein­an­der verdient!”

Das Sati­re­blatt “All­ge­mei­ne Mor­gen­post Rund­schau” nimmt sich der Mel­dung eben­falls auf unter­halt­sa­me Wei­se an.