Wenn man Stuckrad-Barres Buch Panikherz liest, ist die Verwunderung groß. Nicht so sehr über das, was er erlebt hat, sondern darüber, dass er es überlebt hat.
Panikherz ist eine Autobiographie eines Teilabschnitts eines Lebens, das in der Regel mit dem Tod endet.
Stuckrad-Barre lässt den Leser teilhaben an einem kometenhaften Aufstieg eines, ja was eigentlich?
Eines Schreibenden, eines Getriebenen. Der Leser bekommt Einblick in die Synapsen eines hochgradig süchtigen Menschen und das mit entwaffnender Ehrlichkeit.
Er ist mit Anfang zwanzig bereits da, wo andere nie hinkommen. Hochgelobter Musikkritiker, erstes Buch mit 23 Jahren. Vier Bücher in drei Jahren. Eigene TV-Show. Ganz oben. Die Kritiker feiern ihn als der neuen deutschen Popliteraten der 1990er Jahre.
Die Kehrseite: Stuckrad Barre ist im Dauerrausch, außerdem Bulemiker.
Den für Kokain typische Wahn setzt er ebenso gekonnt literarisch in Szene, wie die klassische Konditionierung des Suchthirns, sich bereits beim Vorbereiten des Rauschzustands den ersten Kick zu verschaffen.
Das Buch ist auch eine Liebeserklärung: An den Mann nämlich, der den Autor seit seinen frühesten Kindheitstagen musikalisch begleitet hat und aus dessen Texten sich seine Lebensabschnitte in sehnsuchtsvoller Dramatik zu verwirklichen scheinen.
Udo Lindenberg, Panikpräsident und ein Wissender in Sachen Lady Whisky und anderen Stimulanzen. Ausgerechnet Udo Lindenberg, der Abschnitte seines Lebens in einer dauerberauschten Selbstverständlichkeit selbst unterzugehen drohte, half dem Untergehenden zurück in die Nüchternheit.
Andere tauchen auf, Schriftsteller, Musiker, alles Künstler, mit denen Stuckrad-Barre irgendwie zu tun hatte. In solchen Momenten ist der Leser ist geneigt, den Autor als selbstgefälligen, privilegierten Schnösel aus der Oberschicht festzulegen.
Hier schreibt einer seinen Suchtbericht. Das ist nichts Neues, viele haben das vor ihm getan. Was ihm fehlt ist die Kompromisslosigkeit, die Entgültigkeit. Die kann er nicht beschreiben, die hat er nur am Rande erlebt.
Seine Suchtbilanz zieht er aus der Widersprüchlichkeit einer Drogensucht:
"Die vielleicht deprimierendste Eigenschaft einer Drogensucht ist, dass sie zu einem wirklich spießigen Leben führt. Wenn wir Spießertum definieren als eine totale, zwanghafte Regelmäßigkeit, die nichts so fürchtet wie Varianten und Abwechslung."
Benjamin Stuckrad-Barres Buch ist das Protokoll seiner Sucht, literarisch gelungen.