Philipp Scheidemann (SPD, Vorsitzender der Reichstagsfraktion)
Persönlicher Bericht über den 9. November 1918 (aus dem Jahr 1924)
„Am 9. November 1918 glich der Reichstag schon in den Morgenstunden einem großen Heerlager. Arbeiter und Soldaten gingen ein und aus. Viele trugen Waffen. Mit Ebert [SPD-Vorsitzender] und anderen Freunden saß ich hungrig im Speisesaal. Es gab wieder nur eine dünne Wassersuppe. Da stürmte ein Haufen von Arbeitern und Soldaten in den Saal, gerade auf unseren Tisch zu. ‘Kommen Sie mit uns.´ (…) Ich wehrte ab. ‘Draußen stehen Tausende, die verlangen, dass Sie reden.´ Dutzende redeten auf mich ein, bis ich mit ihnen ging. Die große Wandelhalle zeigte ein dramatisch bewegtes Bild. Gewehre waren wie Pyramiden zusammengestellt. Vom Hofe herauf hörte man Pferdegetrappel und Gewieher. In der Halle schienen Tausend gleichzeitig zu reden und zu schreien. Wir gingen eiligen Schrittes dem Lesesaal zu. Links und rechts von mir redeten meine Begleiter auf mich ein. Zwischen dem Schloss und dem Reichstag – so wurde versichert – bewegten sich ungeheure Menschenmassen hin und her. ‘Liebknecht [USPD/Spartakusbund] will die Sowjetrepublik ausrufen.´ (…) Schon stand ich im Fenster. Vieltausende von Armen reckten sich, um die Hüte und Mützen zu schwenken. Dann wurde es still, ich sprach nur wenige Sätze:
Quelle: IG Metall und Historisches Museum Berlin