Der deutsche Philosoph Hegel sah im Krieg etwas Reinigendes, dass die »Staaten vor der Fäulnis bewahrt, in welche sie eine dauernde Ruhe oder gar ein ewiger Frieden versetzen würde.« Vor Beginn des 1. Weltkrieges sahen auch einige Intellektuelle den Kriegseintritt positiv.
»Anton Wildgans, Georg Heym, Thomas Mann, Georg Trakl, Ernst Jünger, Max Scheler, Hermann Bahr, Georg Simmel, Hugo von Hofmannsthal, Rainer Maria Rilke, Robert Musil, Oskar Kokoschka usw. – begrüßten den Krieg. Sie sahen in ihm nicht das Ende oder den Untergang, sondern die Veränderung, den Aufbruch in eine neue, bessere Welt, frei von Dekadenz, Utilitarismus und Entfremdung.«
Selbst Ärzte und Wissenschaftler waren dem Krieg zugetan, als »Auslese der schwachen Gesellschaftssegmente und als Prüfstein, an dem alles ausgeschieden würde, was krank und faul ist.«
Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass auch heute viele Medienvertreter, Politiker und Bürger dem nicht abgeneigt sind. Anders lässt sich die neue entdeckte Kriegslust von Teilen der Grünen, FDP und CDU kaum erklären. Die Sofakrieger im Bundestag scheinen das Heldentum wieder entdeckt zu haben. Deutschlands Außenministerin spricht vom Sieg der Ukraine und eine vorsichtige Staatsführung des Bundeskanzlers ob der Bedenken eines 3. Weltkriegs wird als zögernd und Weicheipolitik abgetan, derweil der ukrainische Zuflüsterer Melnyk die Regierung beleidigen darf und sich des Jubelns vieler kriegsbesoffener Mitstreiter sicher sein kann. Vergessen wird leider, dass es am Ende nie einen »kontrollierten« Krieg geben kann. Weshalb sollte die größte Atommacht der Welt einer völlig naiven Logik der EU-Präsidentin Ursula von der Leyen folgend, einer bedingungslosen Kapitulation zustimmen?
Mehr noch, mit den eindeutigen Worten aus Brüssel, dem »entgültigem Sieg« der Ukrainer und dem Hinweis der EU-Präsidentin, man werde »Prozesse gegen alle Kriegsknechte des Kremls« führen, ist der Weg für Verhandlungen nicht nur verbaut; die Aussage zeigt, das der Weg des Krieges und der Gewalt der einzige für Brüssel ist und das offensichtlich mit allen Konsequenzen für Deutschland. Wenn man das Worst-Case Szenario einmal durchspielt, kommt man ganz schnell zu der Überlegung, dass es bei weiterer Eskalation Deutschland und Europa die großen Verlierer sein dürften.
Trotz aller Beteuerung von Politikern und Konfliktforschern, dass ein Atomschlag der Russen unwahrscheinlich ist, könnte die Naivität der Aussage bei Überschreitung einer roten Linie genau dazu führen. Das Szenario jedenfalls hat Russland bereits visualisiert dargestellt und zwar nicht mit taktischen Kernwaffen gegen die Ukraine, sondern mit strategischen Atomwaffen gegen Europa.
Ist es klug, ein Land das über ca. 6000 Atomsprengköpfe verfügt und somit die größte Atommacht der Welt ist, mit einer Forderung zur bedingungslosen Kapitulation so sehr an die Wand zu drängen, das bei einem Machtmenschen wie Putin reflexartig die Möglichkeit zu einem atomaren Erstschlag gegen die vermeintlichen Aggressoren nicht auszuschließen ist? Der Mann ist siebzig Jahre alt und hat nichts zu verlieren.
Gerade die beiden Weltkriege sollten uns ein mahnendes Beispiel dafür sein, was passiert, wenn sich die Eskalationsspirale aus Missverständnissen, falschen Informationen und Propaganda aufschaukelt und irgendwann nicht mehr zu stoppen ist. Mit der Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine sind wir, sogar laut Melnyk, Diplomat und Freund rechtsextremer Gruppierungen, für Russland sogar bereits Kriegspartei.
Bei allem Verständnis helfen zu wollen, sollten wir uns an die Worte Helmut Schmidts erinnern, der eine Einmischung in die innerpolitische Konflikte eines Landes stets ablehnte.
»Gewalt lässt sich nicht mit Gewalt ausrotten«, davon war der ehemalige Bundeskanzler überzeugt.
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Quellennachweise:
Wikipedia — der erste Weltkrieg
Wikipedia — Die zuspitzung des Konflikts, die Juli-Krise
»Krieg! Es war Reinigung, Befreiung, was wir empfanden, und eine ungeheure Hoffnung.«
nachdenkseiten.de — Deutschland, wo sind Deine Dichter und Denker?
Oskar Lafontaine — Amerika treibt Europa in einen Atomkrieg.
jungewelt.de — Bis zum letzten Tropfen.
berliner-zeitung.de — Melnyk: »Für Putin ist Deutschland längst Kriegspartei«
zeit.de [Artikel aus dem Jahre 2009] — Schmidt gegen Einmischung in anderen Staaten