Erich Honeckers letzter Brief aus dem Gefängis Berlin Mohabit, aus dem er nach 169 Tagen Untersuchungshaft vermutlich auch aufgrund seines schweren Krebsleidens im Januar 1993 entlassen worden ist. Die angeschriebenen Eva ist die Gymnasiallehrerin Dr. Eva Ruppert, die sich einem Solidaritätskomitee anschloss und eine glühende Verehrerin Erich Honeckers war. Über dieses Komitee ist der Kontakt zu Erich und später Margot Honecker entstanden. Am 12. Januar 1993 wurde der todkranke Erich Honecker aus dem Gefängnis entlassen und durfte nach Chile ausreisen, wo er am 29. Mai 1994 an einem Lebertumor starb.
Berlin-Mohabit, den 22. Dezember 1992
Liebe Eva,
verzeihe mir, wenn ich diesen Brief mit der Maschine schreibe. Meine Hand ist noch nicht ruhig. Ich möchte Dir also einen Brief schreiben, den Du auch lesen kannst. [..]
Nun, gestern ging das medizinische Seminar erst spät zu Ende. Ausgang klar. Hackethhal ist doch der größte Mediziner Deutschlands. Schau: Selbst die Maschine sträubt sich, so einen Unsinn zu schreiben. Der Mann hat zwei Verhandlungstage voll beherrscht und was noch wichtiger ist: Er hat gesiegt. Gesiegt auf der ganzen Linie. Ich glaube, meine Verteidiger werden dem auch zustimmen.
Dies, liebe Eva, wollte ich Dir ganz schnell mitteilen. Es ist ein Gruß von mir, Antwort auf viele Briefe […]
Jetzt verbleibt mir nur noch, Dir das Allerbeste zum Jahr 1993 zu wünschen. Von Weihnachten gar nicht erst zu reden. Heute las ich die Prognose für 1993 – 4 Millionen offizielle Arbeitslose. Inoffiziell sind es ja noch viel mehr. Eine Welt, die wir nicht mehr gekannt haben.
Herzliche Grüße
Erich
Quelle: „Liebe Eva“ — Erich Honeckers Gefängnisbriefe