Ihr seid OK, Boomer

Als Baby Boo­mer wer­den in Deutsch­land die gebur­ten­star­ken Jahr­gän­ge von 1955 bis etwa 1969 bezeich­net. Man­che defi­nie­ren unse­re Gene­ra­ti­on der Jahr­gän­ge bis 1964 so, aus mei­ner Sicht trifft es die Bezeich­nung „Kin­der der 80er Jah­re“ am besten. 

Egal wie, es scheint, dass die Gene­ra­ti­on Boo­mer an allem Unglück heu­te schuld sei­en. Der Vor­wurf lau­tet von unge­brems­ten Kon­sum­ver­hal­ten, die Umwelt rück­sichts­los aus­ge­beu­tet, die Wirt­schaft rui­niert und ganz ein­fach den nach­fol­gen­den Gene­ra­tio­nen die Zukunft gestoh­len haben. Außer­dem säßen sie, zumin­dest der­zeit noch, an den Hebeln der Macht und wür­den nichts dafür tun, der nächs­ten Gene­ra­ti­on eine hei­le Umwelt zu hin­ter­las­sen. Beruf­lich und gesell­schaft­lich wären wir immer noch in alten Ver­hal­tens­mus­tern ver­fal­len und wür­den uns gegen gesell­schafts­po­li­ti­sche Ver­än­de­run­gen sträuben. 

Stimmt das? Oder ist das nur eine wei­te­re Epi­so­de aus dem immer­wäh­ren­den Gene­ra­tio­nen­kon­flikt seit ewi­gen Zeiten? 

Ich per­sön­lich neh­me mir die­se Vor­wür­fe nicht, oder nur zum Teil, an. Ja, wird sind ziem­lich glück­lich in einem Wirt­schafts­boom auf­ge­wach­sen, wir konn­ten das genie­ßen. Nichts­des­to­trotz, wir waren und sind Nach­kriegs­en­kel, wir haben von Oma und Opa noch Gräu­el­ta­ten erfah­ren, die im Krieg an ihnen ver­übt wur­den. Wir haben in Tei­len noch kriegs­ver­sehr­te Men­schen ken­nen­ge­lernt. Unse­re Leh­rer waren in den Anfangs­jah­ren der Schu­le oft­mals noch übrig geblie­be­ne Nazis, die uns mit dem Stock zu Gehor­sam zwan­gen. Aber wir waren auch die Gene­ra­ti­on, die als Schü­ler und Stu­den­ten die Frie­dens – und Umwelt­be­we­gung schu­fen. Wir waren die Punks, Rocker und Unan­ge­pass­ten, die gegen Auto­ri­tä­ten auf­be­gehr­ten. Natür­lich gab’s auch damals schon ange­pass­te Jugend­li­che, die soge­nann­ten Pop­per. (Übri­gens sind denen die Geschmacks­ver­ir­rung der schmal geschnit­te­nen Leder­kra­wat­ten zu verdanken). 

Wir Boo­mer demons­trier­ten gegen Atom­kraft und Volks­zäh­lung und enga­gier­ten uns poli­tisch. Und ja, wir hat­ten eine ande­re gesell­schafts­po­li­ti­sche Ein­stel­lung zu den Din­gen: Mei­nungs­ver­schie­den­hei­ten unter Jungs wur­den oft­mals mit den Fäus­ten gelöst und danach war auch Ruhe. Es stimmt auch, dass wir als Männ­lich­keit auch immer mit dem Begriff Rit­ter­lich­keit asso­zi­ier­ten und das auch immer noch tun. Höf­lich­keit gegen­über Älte­ren und Frau­en, eine gewis­se Här­te, Mut und Ent­schlos­sen­heit, das war für uns das, was einen Mann aus­ma­chen soll­te. Wir waren aber auch die­je­ni­gen, des­sen Klas­sen­zim­mer heil­los über­füllt waren, die nur mit Mühe und Not einen Stu­di­en­platz oder eine Aus­bil­dungs­stel­le beka­men, die immer mit ihres­glei­chen kon­fron­tiert waren, allei­ne des­halb, weil es so viel unse­res Jahr­gangs gab. 

Auf der ande­ren Sei­te waren wir gren­zen­lo­se Hedo­nis­ten, uns stand mehr der Sinn nach Par­tys und Fei­ern als nach Häus­le­bau­ern und Bau­spar­ver­trag. Der Musik­ge­schmack der 80er Jah­re, die deut­sche Wel­le, pass­te für vie­le von uns Kin­dern der 80er Jah­re zum Lebens­stil. Trotz­dem hat unse­re Gene­ra­ti­on sich etwas auf­bau­en kön­nen, wir waren zwar rund zehn Jah­re spä­ter dran als unse­re Eltern mit der Fami­li­en­pla­nung und dem Nest­bau, aber mit Mit­te Drei­ßig war dann doch für die meis­ten der Lebens­weg geebnet. 

Jetzt ste­hen vie­le von uns kurz vor dem Rentenalter. 

Also Geduld. Die nächs­te Gene­ra­ti­on kann ja dann alles bes­ser machen. 

5 Comments

  1. Schuld sind immer die ande­ren und frü­her war sowie­so alles bes­ser… Ich tue mich immer schwer mit die­sen Gene­ra­ti­ons­ein­ord­nun­gen. Die sind so all­ge­mein wie Horo­sko­pe und man kann doch nicht eine gan­ze Gene­ra­ti­on in eine Schub­la­de ste­cken. Aber wenn das so sein soll­te, macht die nächs­te Gene­ra­ti­on bestimmt nicht alles bes­ser, die will näm­lich (laut Schub­la­de) kei­ne Ver­ant­wor­tung übernehmen 😉

    1. Gene­ra­tio­nen­kon­flik­te hat es immer gege­ben. Was haben wir den Gene­ra­tio­nen vor uns nicht alles vor­ge­wor­fen. Jetzt ler­ne ich die ande­re Sei­te ken­nen, aller­dings stört mich das auch nicht beson­ders. Der Titel und die Idee zu dem Post kam mir, als mir ein Jugend­li­cher mit dem Begriff: OK, Boo­mer auf eine Auf­for­de­rung ant­wor­te­te. 😉 Ich fand das witzig.

  2. Oder ist das nur eine wei­te­re Epi­so­de aus dem immer­wäh­ren­den Gene­ra­tio­nen­kon­flikt seit ewi­gen Zeiten? 

    Ich ten­die­re als Außen­sei­ter (* 12/53) eher zu die­ser Ein­ord­nung. Trotz geht mir das Geze­ter aber ziem­lich auf die Ner­ven. Als Kind der 80-ern wür­de ich mich defi­ni­tiv nicht sehen. Ich war ein­deu­tig ein Kind der 70-er. Aber so etwas von. 

    Ja, wir haben krass über unse­re Ver­hält­nis­se gelebt. Ich habe mir vie­le Gedan­ken dar­über gemacht. Min­des­tens in den 70-ern, sicher jedoch in den 80-er Jah­ren. Dass wir die­ses Ver­hal­ten nur in klei­nen Grup­pen abge­legt haben (Aus­stei­ger), zeigt auch, war­um die kol­lek­ti­ve Unfä­hig­keit, etwas gegen die Kli­ma­kri­se zu unter­neh­men, dominiert. 

    An Schlä­ge­r­ein in mei­ner Schul­zeit erin­ne­re ich mich. Aller­dings habe ich Gewalt immer gemie­den wie der Teu­fel das Weih­was­ser. Ich war in lin­ken Zir­keln enga­giert und fühl­te mich so pro­gres­siv. Scheiß drauf! Für mich gilt das schö­ne Bon­mot, dass (frei zitiert) man kein Herz hat, wenn man in der Jugend nicht links ist und kein Hirn, wenn man in höhe­ren Lebens­jah­ren immer noch links ist.

    Ich glau­be, wir haben viel ver­saut. Übri­gens auch an der heu­ti­gen Jugend. Denn schließ­lich waren wir es, die die­se “erzo­gen” hat (oder eben nicht). 

    Die neue deut­sche Wel­le war nie meins (Aus­nah­men bestä­ti­gen auch dabei die Regel). Ich stand schon mit 20 auf Jazz und Klas­sik. Gut, Rock war (pau­schal gesagt) auch mein Ding. Aber ich gehör­te (lei­der) auch zu denen, die sich über Schla­ger und sei­ne Anhän­ger ver­ächt­lich gemacht haben. Alles in allem zäh­le ich mich zu der Frak­ti­on der­je­ni­gen, die fin­den, dass frü­her ™ alles viel bes­ser war. Dabei weiß ich längst, dass das Quatsch ist.

  3. Ja, in der Erin­ne­rung ist frü­her immer alles bes­ser gewe­sen, das ist so eine Schutz­funk­ti­on des Gehirns, alles schlech­te zu ver­drän­gen. Natür­lich sind alle Gene­ra­tio­nen nicht feh­ler­frei und Ver­än­de­run­gen soll­te jeder unvor­ein­ge­nom­men gegen­über­ste­hen. Den Grund­sät­zen mei­ner Gene­ra­ti­on blei­be ich aller­dings treu — dazu gehört im übri­gen auch eine Abnei­gung für Schlagermusik 🙂

  4. in der Tat war vie­les damals bes­ser — wenn man ein Kind war. Denn vie­les war ein­fa­cher struk­tu­riert. die “Ver­gif­tung” des nai­ven Kin­der­hirns durch das Inter­net gab es nicht. Es gab kla­re­re Vor­ga­ben und nicht alles muss­te und woll­te stun­den­lang aus­dis­ku­tiert wer­den. Man war ein­fach prag­ma­ti­scher und hemdsärmeliger.
    Lei­der gab es durch den “Pil­len­knick” und eine über­mä­ßig gro­ße Zahl an Kin­dern bei einer über­schau­ba­ren Anzahl von Lehr­stel­len nicht genü­gend gut bezahl­te Jobs. Auch ich lan­de­te nicht als Beam­ter in einer Behör­de, son­dern als Ver­käu­fer im Ein­zel­han­del. Das ist für mich immer noch die größ­te Fehl­ent­schei­dung mei­nes lebens, so einen Ätzer­job ange­nom­men zu haben. Ich hät­te lie­ber ein Jahr pau­sie­ren und mich ein Jahr spä­ter erneut bewer­ben sol­len oder das Abi nach­ma­chen. Aber als Zechen­kind im Ruhr­pott da has­se die Arsch­kar­te gezo­gen, Hömma!
    Mei­ne Lebens­pla­nung war im Gegen­satz zu dir auch nicht mit Mit­te 30 noch lan­ge auf einer Stra­ße, des­sen Ende man sehen konn­te. Mei­ne Finanz­pla­nung und Job-Zukunft auch nicht. Das ist sie erst jetzt wo ich noch — obwohl in Ren­te — wei­ter bei mei­nem Kon­zern tätig bin. Nur die Schul­bü­cher und Bewer­bungs­map­pen habe ich so lang­sam dem Alt­pa­pier übergeben.
    Ob wir mun­ter drauf los gelebt haben und uns kei­ne gedan­ken um die Zukunft gemacht haben? Das wäre schon mög­lich, denn poli­tisch war ich per­sön­lich nicht beson­ders inter­es­siert und Nach­rich­ten hat­ten ande­re The­men als den Kli­ma­wan­del und die Zer­stö­rung des Pla­ne­ten zum Inhalt.
    Viel­leicht war man zu ange­paßt, zu brav, zu nett zu alten Leu­ten, dass man nicht mehr Wider­stand gegen man­che Ent­schei­dun­gen gezeigt hat.
    Die nächs­te Gene­ra­ti­on darf zei­gen, dass sie es bes­ser kann — ich habe mir jeden­falls zur aktu­el­len Situa­ti­on der Mensch­heit nichts vorzuwerfen..

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