Weitestgehender Konsens in Bezug auf Halloween entdeckte ich bei der Durchsicht meines Readers. Herr Buddenbohm thematisiert zugleich Halloween und die unsäglich penetrante Zusammenführung von Arbeit und Privatleben.
„Heute Home-Office, denn im Bürogebäude findet ein lustiges Halloween-Event statt, mit Teambuilding, Verkleidungen und Geisterjagd. Dafür bin ich entweder zu alt, zu norddeutsch, zu schlecht gelaunt oder zu verstockt. [..]“
Die Art der Verbrüderung unter Kolleginnen und Kollegen nimmt offensichtlich weit über die übliche jährliche Weihnachtsfeier hinausgehend zu. Das ganze Jahr werden unter dem Schlagwort “Teambuildíng” Veranstaltungen zur privaten Zusammenführung vorgehalten.
Wöchentliche Stammtische ebenso wie Veranstaltungen am Wochenende. Die Unsitten scheint aus den USA rüber zu schwappen, wo Arbeit gleichsam und unmerklich ins Private verzahnt ist.
Nicht falsch verstehen: ich mag meine Kolleginnen und Kollegen. Nicht alle, aber doch die meisten. Was ich nicht mag, ist der Einfluss der Freizeitgestaltung durch andere. Dienst ist Dienst und Schnaps ist Schnaps. Für alles andere gilt unisono der Text von Herrn Buddenbohm, mit Ausnahme der Ablehnung derartiger Veranstaltungen aufgrund regionaler Herkunft.
Ich bin Sauerländer; letztendlich scheint es jedoch einige Übereinstimmungen mit Hamburg zu geben.

Das Bedürfnis nach gemeinsamer Freizeitgestaltung lässt rapide nach, sobald der Großteil im Team Nachwuchs am Start hat. Vielleicht brauchen manche das also einfach, weil sie selbst nicht wissen, wie sie ihre private Zeit nutzen sollen? Die Teambuilding-Ideen von HR gehören für mich definitiv ins Gruselkabinett. Von daher passt das ja ganz gut zu Halloween 😄. Solche Ringelpiez-Spielchen erspare ich meinem Team aus Prinzip, das sind schließlich keine Kleinkinder — wobei, wenn es um Süßigkeiten geht, bin ich mir da nicht so sicher…
Aber gerade da könnte natürlich ein Ansatz für gemeinsame Aktivitäten sein; Stillen im Team beispielsweise oder das gemeinsame Windelwechseln als Maßnahmen zur gezielten Förderung von Zusammenarbeit, Vertrauen und Kommunikation innerhalb eines Teams. 😁
Teambuilding-Maßnahmen um wieder den sozialen Kit anzurühren, den Covid durch Home Office oder mobiles arbeiten langsam aber sicher zersetzt hat? Wird nicht funktionieren. Kann nicht funktionieren!
Die IT von tk saß früher in einer Aussenstelle einige Kilometer entfernt vom tk Hauptquartier. Dort saßen wir alle zusammen in einem Großraumbüro: Die Datacenter-Jungs, die Netzwerker, die Teleföner, Der First und Second-Level Support und wir vom DLC (Device Life Cycle = Bestellung, Beschaffung, Installation und Buchhaltung). Man kannte sich — man mochte sich (manche mehr, manche weniger — wie das eben normal ist). Bei Problemen stand man eben von seinem Stuhl auf, ging 10 Schritte zum Kollegen, wenn der grade nicht telefonierte und in nicht mal einer Minute waren viele Probleme, für die man sonst ewig lange eine Mail-Korrespondenz mit den Kollegen in Danzig hätte führen müssen aus der Welt. Man ging zusammen zu Mittag, traf sich auf dem Flur an der Kaffeemaschine und über den “Flurfunk” war man immer gut informiert was nicht nur in der eigenen Abteilung los war, sondern auch was grade in den anderen klemmte. Häufig konnte jemand aus einer ganz anderen Abteilung mit seinem Wissen Kollegen aus anderen Abteilungen wertvolle Tips geben, denn so ist das ja häufig, dass die meisten nicht über den Tellerrand des Problems schauen.
Dann kam die erste Zäsur. Die Hälfte der früheren Kollegen wechselten zu einem anderen Konzernbereich. Natürlich nicht freiwillig sondern weil die IT “zu teuer” war und man die Kopfzahlen senken wollte. Da zu dem Zeitpunkt auch ein “Kunde” (finde ich immer schräg, wenn man Kollegen die in einem anderen Konzern Unit arbeiten als “Kunde” bezeichnet — sind für mich alles Kollegen) mit mehreren Tausend Mitarbeitern eigenständig wurde, passte das ganz gut, denn die brauchten natürlich auch eine eigene IT.
Im Rahmen dieser Umstrukturierung zog die IT auf den tk Campus, denn dort waren jetzt Leerstände, da ja eine große Konzern Unit ausgezogen war und die nun in Düsseldorf ihr Hauptquartier hatte.
Hier ging die gewollte personelle Zerschlagung der IT weiter: Jede Abteilung der IT saß in einem anderen Gebäude — mal eben schnell zum Kollegen gehen? Fehlanzeige. Man entfremdete sich.
Dann kam Covid und die Zeit als nicht mehr als ein Kollege zeitgleich in einem Büro sein durfte und man dazu überging das mobile arbeiten einzuführen.
Covid ging vorüber — das mobile arbeiten nicht. Wenn ich Freitags (der Tag an dem erfahrungsgemäß die meisten Kollegen Home Office machen) in mein Büro in Essen war, dann saßen auf der kompletten Etage 2 Personen: ein Kollege aus dem DLC und ich.
In der Woche sitzen in den NWOW-Büros (NWOW ist die Abkürzung für New Ways of Working = kein festes Büro, sondern man setzt sich einfach irgendwo hin, wo grade Platz ist) manchmal noch andere Personen. Keinen von denen kenne ich, noch weiß ich in welcher Abteilung er tätig ist. Man geht auch nicht in das Büro für ein Schwätzchen sondern kümmert sich um seine eigenen Aufgaben, weil man über die letzten Jahre zu einem Einzelkämpfer erzogen wurde.
Bei großen sozialen Events auf Firmen-Ebene wie Weihnachtsfeiern bleiben die einzelnen Abteilungen — die nur noch aus 3–4 Personen bestehen — unter sich, weil das die einzigsten Personen sind, die man noch von früher kennt und mit denen man per Teams oder Mail Kontakt hat. Man hat sich entfremdet — selbst “Bürofreundschaften” von früher haben sich zerschlagen. Dieses Rad lässt sich nicht zurückdrehen.
Wie zum Beweis habe ich allen Kollegen gesagt, dass sie gerne über meinen Blog mit mir in Kontakt bleiben können, es dort sogar eine eigene Community gibt und private Chaträume. Nicht einer meiner Ex-Kollegen hat sich registriert.
Der Versuch die Firma mit in Freundschaft und Familie in die “3 Big Fs” zu integrieren, klappt möglicherweise in China, Japan und ähnlich irren Ländern wo Pflichterfüllung der Firma gegenüber einen wesentlich höheren Stellenwert hat, als es glücklicherweis hier der Fall ist. Ich nehme nicht mal freiwillig an Firmenveranstaltungen teil, die während oder kurz nach meinem Dienst stattfinden. Aber dann auch noch freiwillige Veranstaltungen am Wochenende? NEVER! THAT’S CRAZY SHIT!!
Grüße aus dem Burnout..
CU
P.
Die Arbeitswelt hat sich extrem verändert, das nehme ich auch wahr. Mit der Wirtschaftskrise in unserem Land wird sich das vermutlich noch verschärfen. Kollegialität, Loyalität, Solidarität, das scheint alles in Auflösung.
Warum das so ist, kann ich nicht mal sagen, vielleicht hast du Recht und wir haben in Covid Zeiten viel verlernt. Ich beobachte auch, dass viele Kolleginnen und Kollegen kurz vor dem Ruhestand nur noch eins wollen; ganz schnell weg. Schade eigentlich.
Bleib gesund
Ja, schade ist das — aber wer will es den Menschen verdenken? Es wurde doch über viele jahre seitens der Vorstände und Beratern genau darauf hingearbeitet: Man wird immer weniger als Mensch wahrgenommen sondern nur noch nach einer messbaren Leistung beurteilt. Auch die Entfremdung zielt doch speziell darauf ab den sozialen Kit, den es früher gab zu zerstören, damit man als Kollege gar nicht mitbekommt, wenn mal wieder ein Mitarbeiter gegangen wird — sonst könnten sich ja Widerstände und Fronten bilden, die den extremen Abbauprogrammen Knüppel zwischen die Beine werfen.
Bei uns waren monatelang für teuer Geld gecastete externe Berater in der Firma, die prüfen sollten, ob es möglich ist die IT auszulagern. Das sollte lt. Geschäftsführung “Ergebnisoffen” sein — war aber von vornherein Ergebnisorientiert (mit dem Ziel die IT auf Biegen und Brechen loszuwerden. Selbst mit dem Risiko eines IT-technischen Super-Gaus).
Wir wurden also schon seinerzeit angelogen. Das fertige Gutachten durften die Betriebsräte auch nie sehen, sondern es hieß immer nur: das Gutachten hat ergeben, dass die IT aufgelöst werden muss.
Wer fühlt sich da noch einer Firma persönlich verbunden? Also, ich nicht…
Wir haben hier einen Standort von Infineon. 2000 Mitarbeiter. Letzte Woche dann die Nachricht, dass davon 500 Mitarbeiter gehen müssen. Und siehe da- schon steigt die Aktie. Kapitalismus in Reintform. Merz hat doch mal ein Buch geschrieben, wie hieß es doch gleich? Ach ja: Mehr Kapitalismus wagen, zynischer Untertitel: Wege zu einer gerechteren Gesellschaft. 🧐
Mir würde das nicht gefallen, fremdbestimmt zu werden. Auch nicht, wenn es noch so gut gemeint wäre… Zum Thema Teambuilding habe ich vor ein paar Jahren mal einen kleinen Artikel verfasst. Meine Füße tun heut’ noch weh.
https://horstschulte.com/wandern-zum-teambuilding/