Umzug zu Mastodon
Ist es wichtig bei Twitter, Instagram und Co zu sein? Nein ist es nicht, aber manchmal ganz witzig. Mal davon abgesehen, dass uns datenschutztechnisch auf den Sozialen Netzwerken die Hosen ausgezogen werden, erstreckt sich allerding der der Mehrwert ansonsten doch eher auf eine Handvoll lesenswerter Beiträge.
Nachdem sich nun Twitters neuer Chef Elon Musk aufführt wie Rumpelstilzchen auf Speed, habe ich mich entschlossen nach Mastodon zu wechseln — Open Source und Werbefrei.
November
Kirmeszeit
Seit Jahren sind Mrs. L und ich schon nicht mehr auf einer Kirmes gewesen, bis gestern. Mrs. L bestand auf einem Besuch der Lippstädter Herbstkirmes. Vorsorglich wies ich Mrs. L darauf hin, dass die Bewegungen hydraulikbetriebener Kirmesmaschinen und eine beginnende Auflösung struktureller, ehedem geordneter Strukturen in eine amorphe Masse, die der Körper analog zum Alter so mit sich bringt, nicht zusammenpassen.
Mrs. L glaubte mich mit den Worten: „Wir werden schon was finden, wo Du lebend wieder rauskommst“ beruhigen zu können. Weit gefehlt.
Auf dem Kirmesplatz angekommen, steuerte ich zielstrebig, Mrs. L an der Hand, das mir am vertrauensvoll erscheinende Karusell an. Indes, beim Näherkommen entpuppte sich das Ding nur für die Allerkleinsten; ein Schild am Eingang wies auch eindrücklich darauf hin: Nur für Kinder bis zum 6. Lebensjahr.
Mrs. L hingegen schien sichtlich begeistert, wohl weniger ob der Karusellvielfalt, als der Tatsache, dass ich immer nervöser die Karusellmaschinen begutachtete, die offensichtlich dazu gedacht waren alte Leute dauerhaft zu verbiegen und die Einnahmequelle sämtlicher ansässiger Orthopäden im Umkreis waren.
Schon Hegel wusste, dass die Vernunft die Welt beherrscht. In unserem Fall in Form einer Chinabude, die köstliche Nudelgerichte zu kleinen Preisen anbot und der Einsicht, zugunsten eines Essens auf andere Kirmesaktivitäten zu verzichten.
Goldener Oktober
Die Deindustrialisierung der Bundesrepublik
„Wenn ein Kolonialwarenhändler in seinem kleinen Laden so viele Dummheiten und Fehler machte wie die Staatsmänner und Generäle in ihren großen Ländern, wäre er in spätestens vier Wochen bankrott.“ [Erich Kästner]
Der Wähler ist leider ein vergessliches Wesen und das weiß beispielsweise der Oppositionsführer der CDU, Friedrich Merz, natürlich auch. So forderte Merz im Frühling 2022 russische Gaslieferungen durch die Pipeline Nord Stream 1 sofort zu stoppen. Eine Einschränkung der Gasversorgung müsse man akzeptieren, schwadronierte der selbsternannte Wirtschaftsexperte lauthals. Merz war nicht der einzige Politiker, der durch diese Fehleinschätzung die Bundesrepublik einer Rezession näher gebracht hat.
Parteifreund Röttgen „appellierte“ zur gleichen Zeit ebenfalls an die Bundesregierung, die Gas- und Ölimporte aus Russland „jetzt“ zu stoppen. Es sei möglich, die ausbleibenden Gaslieferungen durch Gasvorräte bis zum nächsten Winter zu ersetzen. Auch die FDP, sonst Liebling der Wirtschaftsbosse forderte einen sofortigen Gasstopp aus Russland. Allen voran Marie-Agnes Strack-Zimmermann, die seinerzeit die Drohung des russischen Präsidenten zur Abschaltung von Nord-Stream 1 gar als Verzweiflungstat aufgrund der Auswirkungen in seinem Land interpretierte.
Die Liste der Fehlannahmen von Politikern könnte noch seitenweise weitergeführt werden. Aber natürlich kann man nicht einzelnen Politikern die Schuld für die großen wirtschaftlichen Verwerfungen geben, wohl aber muss eine gewisse Weitsicht denen zu eigen sein, die über Wohl und Wehe eines ganzen Staates bestimmen oder doch zumindest mitbestimmen.
Politiker brauchen keine besonderen Befähigungen, um ihr Amt auszuführen. Aber wer dazu beiträgt mit unerträglichem Geschwätz Politik mitverantwortlich so zu gestalten, dass den Bürgerinnen und Bürgern in ihren Auswirkungen großen Schaden zufügt wird, der sollte zurücktreten.
Oftmals jedoch werden politische Rücktritte ausgerechnet von den Politikern gefordert, die sich im Nachhinein in ihrer Aussage als treffsicher bewiesen. Rücktrittsforderungen von Wirtschaftsminister Habeck, weil der vielleicht etwas unglücklich einen zeitweisen Produktionsstillstand richtigerweise nicht mit einer Insolvenz gleichsetzt, zeugen nicht nur Charakterverfehlungen sondern erheblichen Wissenslücken in Wirtschaftsfragen, die der Wähler bei der nächsten Wahl entsprechend würdigen sollte.
Tatsächlich war es Wirtschaftsminister Habeck, der in dem Monat der sich überbietenden Rufe nach einem sofortigen Stopp der Gasimporte bereits im März vor schwersten wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Folgen für die Bundesrepublik warnte.
Ach und falls es noch nicht ganz so bekannt ist, was die Befürworter von „Stoppt die Gasimporte sofort“ und dem dann tatsächlichen Importstopp durch Putin erreicht haben, sei ein Blick in diese Liste empfohlen.
Herbst
Wohnung kalt — Fabrikhallen leer?
„Ich schwöre, dass ich meine Kraft dem Wohle des deutschen Volkes widmen, seinen Nutzen mehren, Schaden von ihm wenden, das Grundgesetz und die Gesetze des Bundes wahren und verteidigen, meine Pflichten gewissenhaft erfüllen und Gerechtigkeit gegen jedermann üben werde.“
[Januar 2022]
Wegen hoher Energiepreise: Firmen drosseln Produktion
[Juli 2022]
Hohe Energiekosten: 16 Prozent der Unternehmen stoppen Produktion oder schränken Geschäft ein
[Juli 2022]
Stark gestiegene Energiepreise gefährden Produktion in Deutschland
[Juli 2022]
Industrie warnt: Hohe Energiepreise gefährden Existenz von Unternehmen
[September 2022]
ArcelorMittal stellt Produktion in Hamburg und Bremen ein
[September 2022]
Hakle meldet Insolvenz an
[September 2022]
.... to be continued
BTW:
Kleine Durchsage von :
Annalena Baerbock
Krieg ist immer ein politischer Akt
Na das hat ja nicht lange gedauert. Ich war wirklich gespannt, wer sich wohl als erstes aus der Deckung wagt und den Einsatz von Bodentruppen für die Unterstützung des Kriegs in der Ukraine fordert. Ausgerechnet die TAZ veröffentlichte einen Kommentar des Publizisten Udo Knapp, der nebenbei bemerkt, als 1945 Geborener eigentlich noch wissen müsste, dass mit einer Entgrenzung des Krieges eine Befriedung nicht herbeizuführen ist. Das Gegenteil ist der Fall.
Dabei ist Knapp einem Trugschluss aufgesessen, den viele Anhänger des Bellizismus als Legitimation für eine militärische Einmischung in das Kriegsgeschehen nutzen: Der Ukraine-Krieg diene Putin nur als Zwischenziel zur vollständigen Vernichtung des Westens. Diese Erzählung eignet sich ebenfalls dazu, dem Souverän aufkommende „Kriegsmüdigkeit“ zu verleiden.
In der Logik des TAZ Publizisten kann diese Entwicklung nur gestoppt werden, wenn westliche Bodentruppen an der Seite der ukrainischen Armee in das Kriegsgeschehen aktiv eingreifen, de facto wäre das die offizielle Kriegserklärung gegen Russland.
Bisher ist das nur eine Meinung, wobei ich vermute, dass die selbsternannten Militärexperten der politischen Bühne mindestens gedanklich im stillen Kämmerlein auch bereits diese Option in Erwägung gezogen haben.
Insbesondere die Grünen haben dabei eine erstaunliche Metamorphose hinter sich. Von einer Partei, dessen Grundsatzprogramm sich aus der pazifistischen Bewegung der achtziger Jahre speiste hin zur kriegsführenden Regierung, das muss man erst mal schaffen, ohne sich als Partei selbst auszuradieren.
„Keine Waffen und Rüstungsgüter in Kriegsgebiete. Grün wählen!“, skandierten die Grünen noch bis vor kurzem. Aber ja, die weißen Tauben sind müde und Pazifisten sind Spinner. Bei so viel Wandel werden feuchte Träume bei denen wahr, die die rhetorische Frage zum totalen Krieg mit einer Gänsehaut auf dem Unterarm quittiert wissen.
CDU-Mann Norbert Röttgen hielt im Zusammenhang mit dem Irak-Krieg Waffenlieferungen in akute Kriegsgebiete noch im Jahr 2014 für höchst problematisch. Aber was interessiert einen Politiker sein Geschwätz von gestern, wenn es darum geht Teil einer politischen Elite zu sein, die in ihrer Vorstellung von einem gerechten Krieg die Welt vom Teufel befreit?
Seit über 75 Jahren herrscht in Mitteleuropa Frieden. Das scheint zu lang zu sein, dass sich das Volk daran erinnert was Krieg bedeutet. Vielleicht hilft die Erinnerung an ein Zitat von August Bebel:
„Nicht die Völker sind es, die kriegslüstern sind…“