Merz der Ruderer

Gibt man in Goog­le den Such­be­griff Merz + Zurück­ru­dern ein, spuckt die Such­ma­schi­ne erstaun­lich vie­le Vor­gän­ge, in denen der Bun­des­kanz­ler in der Kür­ze sei­ner Amts­zeit Ver­spre­chun­gen gebro­chen und Dro­hun­gen ver­puf­fen las­sen hat:

Merz rudert bei Aus­sa­gen zur Arbeits­mo­ral in Deutsch­land zurück
Merz rudert bei Tau­rus Lie­fe­rung zurück
Merz rudert bei Aus­sa­gen zu Was­ser­stoff und Stahl zurück
Merz rudert zurück: Uni­on schließt Koali­tio­nen mit BSW auf Län­der­ebe­ne nicht mehr aus
Merz rudert bei Ent­las­tungs­ver­spre­chen zurück
Merz rudert bei Migra­ti­ons­de­bat­te zurück
Merz rudert bei AFD-Aus­sa­ge zurück 

Wenn es so etwas wie einen Preis für das Zurück­ru­dern gäbe, hät­te ihn Merz sicher ver­dient. Ist Fried­rich Merz nun ein Viel­red­ner, der sich — ganz in Ade­nau­er Manier — um sein „Geschwätz von ges­tern nicht mehr küm­mert“? Oder hat Fried­rich Merz ein­fach nur die Fähig­keit, aus Feh­lern zu lernen?

Natür­lich ist bei­des mög­lich, jedoch soll­te jemand der an der Spit­ze eines Staa­tes steht, vor halt­lo­sen Ver­spre­chun­gen oder gar Dro­hun­gen reflek­tie­ren können.
All­zu leicht wird sonst aus einem mäch­ti­gen Wort ein Kas­san­dra­ruf, bzw. aus einem Bun­de­kanz­ler ein Rufer in der Wüste. 

Natür­lich ist in der poli­ti­schen Kom­mu­ni­ka­ti­on die Dro­hung ein bewähr­tes Mit­tel, um Druck auf­zu­bau­en, Ver­hand­lungs­spiel­räu­me zu eröff­nen oder Geg­ner zur Koope­ra­ti­on zu bewe­gen. Die Wir­kung sol­cher Dro­hun­gen ent­fal­tet sich durch die Erwar­tung. Was pas­siert nun, wenn nach einer Dro­hung die Kon­se­quenz ausbleibt?

Kurz­fris­tig mögen lee­re Dro­hun­gen legi­ti­mes Mit­tel in der poli­ti­schen Land­schaft sein, lang­fris­tig jedoch birgt es erheb­li­che Risi­ken für die poli­ti­sche Glaub­wür­dig­keit. Wer wie­der­holt droht, ohne zu han­deln, schwächt nicht nur sei­ne eige­ne Posi­ti­on, son­dern ver­liert auch das Ver­trau­en in sei­ne Füh­rungs­stär­ke und Entschlossenheit.
Der poli­ti­sche Akteur hat eine Rich­tung ein­ge­schla­gen, aber man­gels Kon­se­quenz den Kurs kor­ri­giert, ohne sein Ziel zu erreichen.

Die Fol­ge: Die poli­ti­sche Dro­hung ver­liert an Schär­fe. Künf­ti­ge Ankün­di­gun­gen wer­den nicht mehr ernst genom­men, Geg­ner erken­nen das Mus­ter und tes­ten gezielt die Gren­zen aus. In Extrem­fäl­len kann das Ver­trau­en der Öffent­lich­keit ero­die­ren – nicht nur in ein­zel­ne Poli­ti­ker, son­dern in poli­ti­sche Insti­tu­tio­nen insgesamt.

Gera­de in Zei­ten zuneh­men­der Pola­ri­sie­rung und poli­ti­scher Unsi­cher­heit ist daher die Kon­se­quenz poli­ti­scher Kom­mu­ni­ka­ti­on von zen­tra­ler Bedeu­tung. Wer droht, muss sich bewusst sein: Die Wir­kung liegt nicht nur in den Wor­ten, son­dern in der Bereit­schaft, sie in Taten umzu­set­zen. Andern­falls droht die gefähr­lichs­te aller poli­ti­schen Ent­wick­lun­gen – die schlei­chen­de Selbstentmachtung.

Mar­tia­lisch aus­ge­rückt: Wenn ich eine Waf­fe auf jeman­den rich­te, muss ich bereit sein abzudrücken. 

Soll­te Merz die­se unglück­li­che Eigen­schaft nicht ändern kön­nen oder wol­len, steigt die Gefahr, in der Wel­ten­ge­mein­schaft nicht mehr ernst genom­men zu wer­den. Das könn­te in Zei­ten des zuneh­men­der impe­ria­ler Macht­ha­ber in der Welt durch­aus gefähr­lich werden. 

3 Comments

  1. Merz ist mit einem gro­ßen Malus gestar­tet. Er war sich des­sen bewusst. Jeden­falls hat er genau das ange­spro­chen. Dass ihm schon eini­ge Din­ge unter­lau­fen sind, nach­dem er zum Kanz­ler gewählt wur­de, ist kein gutes Zeichen. 

    Er hat mit sei­nen guten ers­ten Aktio­nen nach der Wahl eini­ges rich­tig gemacht. Aber viel gebracht haben die­se Akti­vi­tä­ten nicht. Ich glau­be, er ver­liert wei­ter in den Augen der Öffent­lich­keit, eini­ge Umfra­gen sind sehr nega­tiv. Es ist noch zu früh, um wirk­lich ein voll­stän­di­ges Bild zu machen. Wir sind vor­ei­lig. Der Mann brauch ein­fach Zeit. Immer­hin war er ehr­lich. Er emp­fin­det das Amt als gro­ße Ver­ant­wor­tung und spürt den Druck. Das hät­te ein ech­ter Macho nicht zuge­ge­ben. Und als ein sol­cher wird er “uns” ja von vie­len verkauft.

    1. Ja, wahr­schein­lich hast Du Recht, auch ihm ste­hen hun­dert Tage wert­freie Ein­schät­zung zu. Aller­dings soll­te ein Bun­des­kanz­ler immer auch zwei mal über­le­gen, bevor er etwas raushaut.

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