Vom russischen Gas zur amerikanischen Brücke
Mit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine im Jahr 2022 kam es zu einem dramatischen Einschnitt: Die Abhängigkeit Deutschlands von russischem Erdgas, das bis dahin rund 55 % des Gasbedarfs deckte, entpuppte sich als geopolitisches Risiko. Der abrupte Wegfall dieser Lieferungen zwang die Bundesregierung zum Handeln. In Rekordzeit wurden LNG-Terminals errichtet, und die USA traten als neuer Hauptlieferant von Flüssiggas auf. Dass die Amerikaner dazu die Nord-Stream-Pipline gesprengt hätten, ist bisher nicht bewiesen, wohl aber im Bereich des Möglichen.
Diese Entwicklung hatte kurzfristig eine stabilisierende Wirkung. Zwar stiegen die Gaspreise infolge der globalen Angebotsverknappung massiv an, doch die Lieferungen aus den USA halfen, eine tiefgreifende Energiekrise abzuwenden. Die energieintensive Industrie – insbesondere Chemie, Metallverarbeitung, Papierindustrie und die Grundstoffchemie – konnte sich zunächst stabilisieren. Trotzdem bleiben die Energiepreise im internationalen Vergleich hoch, was die Wettbewerbsfähigkeit gefährdet. Und- Weiterhin liefert Russland den europäischen Ländern Gas, nur eben als LNG-Gas, transportiert mit Schweröltankern.
Günstiges Gas als Standortvorteil
Deutschland war lange ein Exportweltmeister, auch weil es über einen vergleichsweise kostengünstigen Zugang zu fossilen Energieträgern verfügte – vor allem durch langfristige Verträge mit Russland. Diese Energiepreise ermöglichten günstige Produktionskosten und sicherten industrielle Arbeitsplätze.
Mit dem Wegfall russischer Importe und der Abhängigkeit von teurem LNG ändert sich das Bild. Die deutsche Industrie verliert zunehmend an Standortattraktivität. Länder wie die USA oder China locken mit niedrigeren Energiepreisen und massiven Subventionen, was Investitionen umlenkt. Auch osteuropäische Länder bieten mittlerweile energieintensive Branchen günstigere Bedingungen. Abgewanderte Industrien kommen so schnell nicht wieder, mit einer Deindustrialisierung würde ein Wohlstandverlust einhergehen, der nicht nur die Beschäftigten in der Industrie träfe.
Regenerative Energien – Notwendig, aber nicht ausreichend
Zweifellos ist der Ausbau regenerativer Energien in Deutschland ein Muss – sowohl aus Klimaschutz- als auch aus Versorgungssicherheitsgründen. Windkraft, Photovoltaik und Biogas haben in den letzten Jahren deutlich zugelegt, und der Anteil der Erneuerbaren am Strommix liegt inzwischen bei über 50 %. Doch der Ausbau ist schleppend und von Bürokratie, Flächenkonflikten und Netzengpässen gebremst.
Zudem: Strom aus Wind und Sonne ist volatil. Ohne ausreichende Speicherkapazitäten und Backup-Systeme kann eine stabile Grundlastversorgung – die essenziell für Industrieprozesse ist – nicht gewährleistet werden. Viele industrielle Anwendungen, insbesondere in der Metallverarbeitung, Chemie oder Zementherstellung, sind auf gleichbleibende Energiezufuhr angewiesen, oft in Form von Prozesswärme, die Strom aus Erneuerbaren (noch) nicht zuverlässig bereitstellen kann. Der Transformationsdruck auf die deutsche Industrie ist enorm. Sie steht zwischen Dekarbonisierungspflicht, Wettbewerbsfähigkeit und Standortunsicherheit. Regenerative Energien werden langfristig die Hauptrolle spielen müssen, doch in der Übergangsphase bleibt günstiges Erdgas – vor allem als Brückentechnologie – von zentraler Bedeutung.
Ohne sichere und bezahlbare Energie keine Zukunft für die Industrie
Die Bundesrepublik muss eine realistische Energiepolitik betreiben. Wenn keine Alternativen als Energielieferant bereit stehen, schwächt das die Industrie massiv. Eine resiliente und zukunftsfähige Industrienation braucht:
- 1. einen zügigen und pragmatischen Ausbau der Erneuerbaren
2. Investitionen in Speichertechnologien
3. wettbewerbsfähige Energiepreise, auch durch strategische Importe,
4. eine industriepolitische Gesamtstrategie, die Planungssicherheit schafft.
5. Prüfung der Wiederaufnahme von Handelsbeziehungen mit Russland nach Kriegsende
Billiges Erdgas war und ist ein wichtiger Puffer – doch ohne eine konsequente energiepolitische Weichenstellung wird die deutsche Industrie langfristig an Boden verlieren. Die Dekarbonisierung darf nicht zur Deindustrialisierung führen. Dabei sind Brückentechnologienen wie die geplanten Gaskraftwerke unungänglich, so wir denn nicht wieder zur Atomkraft zurück wollen. Zur Versorgung der Gaskraftwerke muss preiswertes Gas bereit stehen. Auch hier gilt: Keine einseitige Festlegung, auch nicht aus den USA. Wenn wir auch in Zukunft wettbewerbsfähig bleiben wolen, ist es unumgänglich in der Nach-Putin Ära auch wieder mit Russland zu kooperieren; allein die für Zukunftstechnolgieen benötigten Rohstoffe machen dies alternativlos.
Russland zählt zu den Ländern mit den reichsten Rohstoffvorkommen. Neben den Energieträgern Erdöl- und Erdgas sowie Kohle verfügt man über so wichtige Bodenschätze wie Eisenerz, Nickel, Kupfer, Platingruppenmetalle. Die Bundesrepublik hat ebenfalls einen dringenden Bedarf an Seltenen Erden,
die für die Produktion von Elektroautos, Turbinen und anderen technischen Anwendungen unerlässlich sind.
Ein Neuaufbau der Nord-Stream-Pipelines zur Versorgung der Bundesrepublik mit preiswertem Erdgas und die Aufnahme von Handelsbeziehungen mit Russland — nachdem der völkerrechtswidrige Krieg in der Ukraine beendet ist — ist dazu eine logische Alternative.
Wichtiges Thema aber auch polarisierend. Leider diskutieren viele sehr emotional und dann muss unsere Energie zu 100% grün und unabhängig sein. Ein Windrad vor der eigenen Haustür darf es aber auch nicht werden… Ich finde gerade das Thema der Speicherung spannend — vor allem, da wir eigentlich schon einen großen Energiebedarf durch Sonne und Wind abdecken könnten, wenn wir die Peaks nur besser umverteilen könnten.
Für viele Unternehmen kommt das alles leider viel zu spät. Wenn Thyssenkrupp erst zerschlagen ist, werden weitere energieintensive Unternehmen dem Ruf ins Ausland folgen. Die Automobilindustrie hängt ebenfalls am Fliegenfänger, viel bleibt dann nicht mehr im produzierenden Gewerbe. Stabilität und Kontinuität, gepaart mit preiswerter Energie, das ist es, was unsere Industrie braucht.
Wenn das von der Politik nicht geleistet werden kann, wird der Rest der deutschen Industrie (Maschinenbau und Chemie) ebenfalls abwandern. Nur alleine auf eine Rüstungsproduktion zu setzen, ist zu kurz gedacht, es sei denn die Bundesrepublik will Waffenlieferant für die gesamte Welt werden.
Wahrscheinlich ist Deutschlands größtes Problem, die Energie zu vergleichbaren Konditionen wie in früheren Zeiten zu beziehen. Es ist im Moment ausgeschlossen, mit Russland in Geschäftsbeziehungen zu treten. Kretschmer (MP Sachen) hat seinen Vorstoß gemacht, keiner fährt drauf ab. Dennoch wäre das aus meiner Sicht die einzige Lösung innerhalb einer nicht zu langen Zeitspanne wieder an alte Verhältnisse anzuschließen. Da wir das nicht dürfen oder wollen, bleibt nur die konsequente Beibehaltung des eingeschlagenen Weges. Der Netzausbau für die erneuerbaren Energien kostet zu viel Geld. Die Kosten wurden auf alle umgelegt. Die Preise sind also auch für Privathaushalte viel zu hoch, nicht nur für Unternehmen. Schlechte Aussichten für eine Technologie, die nicht nur im Hinblick auf die Netze eine große Hypothek mit sich führt. Auch die fehlenden Speicherlösungen bleiben ein Thema. Der Krieg Russlands gegen die Ukraine wird sobald nicht beendet sein. Keine guten Aussichten also.
Hallo Peter,
das Thema Energie ist tatsächlich extrem wichtig. Die plötzlich aus dem Hut gezauberte Bereitschaft der USA uns LNG-Gas zu liefern — ich glaube, dass Nordstream nicht unbedingt von Ukrainern sabotiert wurde. Die Amis waren auch schon immer gut darin selber zu agieren um politische und wirtschaftliche Ziele durchzusetzen — und dann einen Schuldigen zu finden, dem man dann im besten Fall auch noch den Krieg erklären konnte.
Hochentzündliches Gas in riesigen Tanks heruntergekühlt und verflüssigt tausende von Seemeilen über den Ozean zu schippern kann ich mir noch wirklich in keiner Konstellation als wirtschaftlich schön rechnen.
Dazu kommt, dass der verwirrte Orangenkopf jederzeit sagen kann “no Gas-Deal with Germany”.
Zugegeben — es bleibt nicht viel. Atom-Energie? Viel zu teuer und wohin mit dem strahlendem Müll? Kohlekraftwerke? Nicht wirklich effizient und starke CO2-Schleudern. Gezeiten-Kraftwerke? Dazu fehlt uns einiges an Küsternkilometern. Windenergie ist toll, günstig — aber eben nur dann vorhanden, wenn Wind vorhanden ist. Das Speichern der Energie ist wohl momentan das größte Problem.
Der Ausbau von Photovoltaik-Anlagen und Balkon-Kraftwerken könnte auch eine Entlastung für die Energiegewinnung sein — wenn hier nicht alles aus Lobbyhörigkeit gesetzlich unnötig kompliziert oder unmöglich gemacht würde.
Und was Merz so sagt (da kommt dein “zurückrudernder Weltmeister-Beitrag” ins Spiel) — ich höre jetzt schon nicht mehr hin, was der Mann sagt. Wenn er sich demnächst karottenfarbenen Selbstbräuner ins Gesicht schmiert, haben wir den nächsten Orangefarbenen Clown, den keiner ernst nimmt..
Bleib gesund und viel Spaß im schwarzen Sauerland..
CU
P.
Hallo Peter,
der Industrie ist es letzendlich egal, wo produziert wird. Die Industriekapitäne entscheiden nicht nach Nachhaltigkeit, sondern siedeln sich da an, wo die Infrastruktur gut ist, Energie billig, Korruption niedrig und qualifiziertes Personal zur Verfügung steht. Du hast es ja sicher selber hautnah erlebt, wie schnell selbst ein Industriegigant in die Einzelteile zerlegt und verscherbelt wird. Und — die Industrie macht nicht nur 25 % am BIP in Deutschland, es werden auch Gehälter bezahlt, von denen man leben kann. (Zumindest da, wo Tarifbindung herrscht).