Zuerst aber muss ich gestehen, dass mein jetziger Wohnort eigentlich nur noch dem Rand des Sauerlands zuzuordnen ist; sei’s drum, mindestens kann ich sagen, dass der nächste Bundeskanzler, der Sauerländer Friedrich Merz hier im Nachbarort in Rüthen sein Abitur gemacht hat. Rüthen wird als eine der nördlichen Grenzgemeinden des Sauerlandes betrachtet, zusammen mit Warstein und Brilon. Friedrich Merz ist zwar gebürtig aus Brilon, jedoch nach Aussage seiner Jahrgangskollegen wegen ungebührlichem Verhalten nach Rüthen ans Gymnasium gewechselt.
Das Sauerland jedenfalls ist politisch schwarz wie ein Kohlenkeller, einzig einige Dörfer verzeichnen eine SPD- Mehrheit. Was nicht so bekannt ist: Wir haben hier im Sauerland zig Metallverarbeitende Industrien, Schmieden und Gießereien und natürlich viele Brauereien. Bier ist hier so etwas wie ein Nahrungsmittel. In jedem Dorf gib’s eine Schützenhalle, wer – insbesondere in einem der kleineren Dörfer wohnt – wird sozusagen mit dem Einwohnerschein im Schützenverein aufgenommen. Anders käme man im Alter auch kaum in die Erde, sind es doch die Schützen, die den Sarg tragen. Apropos Beerdigungen. Die sind hier im Sauerland nur mäßig von Trauer umgeben, zumal wenn es jemanden trifft, der aufgrund des Alters dran war.
Nach Hochamt und Beerdigung und dem Anstandskaffe kommt der erste Verdauungsschnaps auf den Tisch, gefolgt von Unmengen an Bier. Hektoliterweise Bier fließt auch an den Schützenfesttagen, man trinkt halt so viel, wie physikalisch in den Körper passt, ungeachtet der Promillewerte. Das führt dann oftmals zu kuriosen Szenen, beispielsweise, wenn jemand in einem fremden Bett aufwacht und nicht mehr weiß wie er dahin gekommen ist. Wer annähernd am Sauerländer Menschenschlag interessiert ist, dem empfehle ich ganz gerne das Buch “Glaube, Sitte, Heimat: Ein Schwank vom Schützenfest” von Stefan Enste, Enste kommt aus dem Nachbarstädtchen, dort wo das viele Bier für die Schützenfeste am Rand des Sauerlands gebraut wird, aus Warstein.
Übrigens trinkt im Sauerlandjeder jedes Dorf seine seine eigene Brauerei leer. Man begeht sozusagen einen Frevel in Schmallenberg eine Warsteiner Bier zu verlangen, selbstverständlich ist im Hochsauerland nur Veltins im Angebot. Umgekehrt können sie mit einem Rauswurf rechnen, wenn sie in einer Warsteiner Kneipe nach einem Veltins fragen. Zusammengefasst ist der Sauerländer also trinkfest, arbeitsam, (Die Arbeitskleidung vor Samstagnachmittag abzulegen, gilt als Verfehlung sauerländischem Miteinanders), wortkarg (hä?), leicht misanthrop (Was will der denn hier?) und allgemein etwas schwierig. Stimmt doch woll?