Die erstaunliche Metamorphose der Grünen

Die Grü­nen sind in den Acht­zi­ger­jah­ren als neue Par­tei ange­tre­ten des­sen Pro­gram­ma­tik sich aus den The­men Pazi­fis­mus und radi­ka­ler Öko­lo­gie speis­te. Posi­tio­niert als grund­le­gen­de Alter­na­ti­ve zu den eta­blier­ten Par­tei­en haben sich die Grü­nen in den Jah­ren immer wie­der gewan­delt. Mit dem Pazi­fis­mus war spä­tes­tens mit ihrem Vor­sit­zen­den und spä­te­ren Außen­mi­nis­ter Josch­ka Fischer Schluss, die Grü­nen bekann­ten sich sei­ner­zeit zu mili­tä­ri­schen Lösun­gen mit Waf­fen­ge­walt.

Mehr und mehr pass­te sich die ein­zi­ge Pro­test­par­tei an den Main­stream der eta­blier­ten Par­tei­en an, zahl­rei­che Mit­glie­der des lin­ken Flü­gels ver­lie­ßen dar­auf­hin die Par­tei. Wei­te­re Brü­che war neben dem mili­tä­ri­schen Ein­satz im Koso­vo, die Refor­men zur Ein­füh­rung von Harzt IV als Koali­ti­ons­part­ner unter einem Bun­des­kanz­ler Schrö­der und mas­si­ve Ein­grif­fe in die Bür­ger­rech­te als Ant­wort auf die Ter­ror­an­schlä­ge vom 11. Sep­tem­ber 2001. 

Eine wei­te­re stra­te­gi­sche Neu­aus­rich­tung voll­zo­gen die Grü­nen nach Ende der Rot-Grü­nen Koali­ti­on etwa ab dem Jahr 2025. Als Oppo­si­ti­ons­par­tei set­zen sie ihren Fokus auf eine radi­kal öko­lo­gi­sche Aus­rich­tung der Par­tei. Unter­stüt­zend für die Grü­nen hin­zu kam die wis­sen­schaft­li­che Erkennt­nis des vor­an­schrei­ten­den Klimawandels.

In der Wirt­schafts – und Sozi­al­po­li­tik blie­ben die Grü­nen hin­ge­gen zurück­hal­tend, die Wahl­er­geb­nis­se sta­bi­li­sier­ten sich bei 10 Pro­zent der Wäh­ler­stim­men. Die Kli­en­tel der Grü­nen sind damals schon die Gut­be­tuch­ten und Bes­ser­ver­die­nen­den, meist in gesi­cher­ten Posi­tio­nen im Staatsdienst.

Der größ­te Erfolg der Grü­nen war der Aus­stieg aus der Atom­ener­gie, der Erfolg wur­de abge­schwächt, da aus­ge­rech­net eine CDU-Regie­rung unter einer Kanz­le­rin Mer­kel den end­gül­ti­gen Aus­stieg aus der Kern­kraft zementierte. 

Im Jahr 2018 wur­den Robert Habeck und Anna­le­na Baer­bock die neu­en Shoo­ting­stars der Grü­nen. Mit der unkon­ven­tio­nel­len Art bei­der Spit­zen­kan­di­da­ten erreich­ten die Grü­nen mit 14,7 Pro­zent bei der Bun­des­tags­wahl 2021 das bes­te Ergeb­nis in ihrer Geschich­te. Habeck wur­de Wirt­schafts- und Kli­ma­schutz­mi­nis­ter, Anna­le­na Baer­bock fiel das Außen­mi­nis­te­ri­um zu. 

Eine wei­te­re Wand­lung durch­lie­fen die Grü­nen nach dem Über­fall Russ­lands auf die Ukrai­ne. Die eins­ti­gen Pazi­fis­ten waren nun, trotz aller War­nun­gen mili­tä­ri­scher Fach­leu­te, die lau­tes­ten Rufer nach mili­tä­ri­schen Lösun­gen und Waf­fen­lie­fe­run­gen in ein Kri­sen­ge­biet, etwas was sie noch eini­ge Zeit zuvor vehe­ment aus­ge­schlos­sen hat­ten.

Ins­be­son­de­re dem Senk­recht­star­ter Robert Habeck weh­te bald ein hef­ti­ger Wind ent­ge­gen. Mit dem ver­murks­ten Hei­zungs­ge­setz zemen­tier­te der Wirt­schafts­mi­nis­ter die Vor­stel­lung einer Par­tei der Bes­ser­ver­die­nen­den. Außen­mi­nis­te­rin Baer­bock fiel durch ihr unpro­fes­sio­nel­les Ver­hal­ten als Außen­mi­nis­te­rin und ihre stän­di­gen Apel­le zur Lie­fe­rung von Kriegs­waf­fen in die Ukrai­ne auf. 

Die ange­stre­be Trans­for­ma­ti­on der Indus­trie ver­läuft eben­falls mehr schlecht als recht. Hohe Ener­gie­prei­se, Büro­kra­tie und eine unsi­che­re wirt­schafts­po­li­ti­sche Aus­rich­tung las­sen Unter­neh­men abwan­dern oder in die Insol­venz schlit­tern. Die Bun­des­re­pu­blik befin­det sich seit eini­gen Jah­ren in einer andau­ern­den Wirt­schafts­kri­se. Das dies nicht allei­ne Schuld der Grü­nen ist, ist ziem­lich neben­säch­lich, es pass­te in die Erzäh­lung von den Grü­nen als Wirt­schafts­kil­ler. Oben­drein bedien­te die ehe­ma­li­ge Grü­ne Ulri­ke Herr­mann das Nar­ra­tiv vom grü­nen Phan­tas­ten in ihrem Buch vom Ende des Kapi­ta­lis­mus durch Verzicht. 

Die Grü­nen haben ziem­lich erfolg­reich das dar­wi­nis­ti­sche Prin­zip der Anpas­sung für sich ent­deckt. Der Rück­tritt der grü­nen Par­tei­spit­ze ist des­halb nicht ver­wun­der­lich, son­dern offen­sicht­lich Kal­kül des grü­nen Wirt­schafts­mi­nis­ters. Ricar­da Lang und Omid Nou­ri­pour sind die Bau­ern­op­fer als Reak­ti­on schlech­ter Wahl­er­geb­nis­se bei den Land­tags­wah­len im Osten der Republik. 

Denn – nicht die grü­ne Par­tei­spit­ze ist für das mise­ra­ble Abschnei­den der Grü­nen ver­ant­wort­lich, son­dern ihr Spit­zen­duo Habeck und Baer­bock. Das lässt sich allei­ne aus der Tat­sa­che able­sen, dass der gesam­te Vor­stand der grü­nen Jugend­or­ga­ni­sa­ti­on auf­grund der poli­ti­schen Aus­rich­tung nicht nur ihre Arbeit hin­schmeißt, son­dern gar die Par­tei verlässt. 

Habeck wird ein wei­te­res Mal die Grü­nen neu erfin­den, die ers­ten Anzei­chen sind mit der Aus­wahl der neu­en Par­tei­füh­rung um die Habeck Ver­trau­te Fran­zis­ka Brant­ner zu erken­nen. Als wei­te­rer Kan­di­dat wird Felix Banas­zak gehan­delt, bei­de sind dem Rea­lo Flü­gel zuzu­ord­nen und sicher einer zukünf­ti­gen Koali­ti­on mit der CDU auf Bun­des­ebe­ne nicht abgeneigt. 

CDU und Grü­ne ver­bin­det inzwi­schen mehr als sie trennt und bei dem hei­ßen The­ma Asyl­po­li­tik haben die Grü­nen bereits mit der Reform des EU-Asyl­sys­tems GEAS und das Rück­füh­rungs­ver­bes­se­rungs­ge­setz ihre Bereit­schaft zu wei­te­rer Anpas­sung signa­li­siert. Die ers­te Annä­he­rung an den feuch­ten Traum einer mög­li­chen CDU-Regie­rung zeig­ten die Grü­nen bei Ver­ab­schie­dung des Gesetz­ent­wurfs zu anlass­lo­sen Kon­trol­len mit der Erlaub­nis der Durch­su­chung ange­hal­te­ner Personen. 

Die Grü­nen wer­den unter Robert Habeck ver­mut­lich wei­ter nach rechts rücken, wohl wis­send, dass ihre Stamm­kli­en­tel, die heu­te in schi­cken Ein­fa­mi­li­en­häu­sern mit Wär­me­pum­pe im Kel­ler, Solar­kol­lek­to­ren auf dem Dach und einem Elek­tro SUV vor der Haus­tür ihr Umwelt­be­wusst­sein vor allem damit pfle­gen auf dem Wahl­zet­tel den Grü­nen ihre Stim­me zu geben, auch das mitträgt. 

Rumo­ren wird es wei­ter­hin in der Par­tei, denn wäh­rend die einen die stän­di­ge Anpas­sung der Par­tei als not­wen­dig ansieht, sehen die ande­ren einen Ver­rat an den Idea­len der Grünen. 

Update: Der SPIEGEL zur Glaub­wür­dig­keit der Grü­nen. -> Robert Habeck: Der grü­ne Kettensägenmann

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