Kategorie: Alltag
Hanoi in Berlin
Gut versteckt hinter Backsteinruinen, auf 160.000 Quadratmeter erstreckt sich eine eigene asiatische Welt. Wer durch das Portal kommt und die erste Lagerhalle betritt, … weiter im Text
Große Klappe
In der Bundesrepublik gibt es ca. 45 Mio. zugelassene Autos. Ein Großteil davon dürften Kombis sein. Wiederum ein Großteil ältere Baujahre, die exakt der Marke, der Farbe und dem Aussehen meines Autos entsprechen.
Aussehen ist dabei relativ, ich jedenfalls sehe kaum noch Unterschiede in Formsprache und Design, was insbesondere die Findbarkeit auf Parkplätzen zuweilen beeinträchtigt.
Letztendlich hilft der Funkschlüssel bei der Suche; das Auto was nach Drücken des Funkschlüssels aufgeht, ist auch meist das meine.
Am Freitag jedenfalls stehe ich vor der Heckklappe [m]eines Kombis und versuche mit immer zunehmend hektischen Öffnungsversuchen, das Schloss zur Aufgabe des sperrigen Verhaltens zu bewegen.
Nach ca. drei Minuten ergebnislosen Drückens des Funkschlüssels bei gleichzeitig beherztem Reißen an der Heckklappe und wiederholtem Fluchen über die „Dreckskarre“, höre ich links hinter mir den Satz:“ Wenn die Heckklappe nicht aufgeht, hat das durchaus seine Berechtigung, das ist nämlich mein Auto.“
Das Hermes Prinzip
Der Mann an der Haustür sah ein bisschen abgerissen aus. Ich zweifelte kurz, dass es sich um den Paketfahrer handelte, den ich nach einigen erfolglosen Zustellversuchen erwartete.
Allein – das schmuddelige Leibchen, das er über dem Hemd trug, wies ihn als Hermes Paketdienstfahrer aus.
Der Groll war beim bemitleidenswerten Äußeren des Boten verflogen. Im gebrochenen Deutsch erklärte mir der Mann seine Schwierigkeiten beim Zustellen des Pakets. Das alles hatte ich bereits gehört; der Online-Händler hatte meine Beschwerde direkt an den Paketdienstleister weiter gegeben.
Mit dem Hinweis, dass Kartenzahlung leider nicht möglich sei, tat sich allerdings eine neue Bestmarke auf der Unausgeglichenheitsskala auf. Pampig antwortete ich, dass ich dann ja wohl meine letzten Reserven zusammenkratzen müsse, um die Lieferung zu bezahlen.
Der Mann murmelte so etwas wie:“ is‘ nett, sonst ich keine Geld“, oder ähnliches.
Wenn man Google anklickt und nach “Erfahrungen mit Hermes” sucht, wirft die Suchmaschine die abenteuerlichsten Geschichten aus.
Von Subunternehmen, die wiederum Subunternehmen beauftragen ist da die Rede. Von 12 Stunden Schichten an 6 Tagen die Woche und von umgerechnet Stundenlöhnen um die vier Euro.
Ich lasse mir also etwas liefern, dessen Versandkosten in etwa dem des Stundenlohns eines Paketzulieferer bei Hermes entspricht.
Der Name Hermes kommt aus der griechischen Mythologie: Hermes verkündete als Götterbote die Beschlüsse des Zeus — nebenbei war er der Schutzgott der Diebe.
EM
Die Europameisterschaft läuft und mit jedem Deutschland-Spiel wachsen Millionen neue Bundestrainer mit soviel Sachverstand heran, die Bundesrepublik fürderhin zum Europameister zu machen.
Der Freundeskreis bildet da keine Ausnahme. Im Gegenteil, alles was dort zum Thema Fußball gesagt wird, dürfte repräsentativ sein für die gesamte fußballbegeisterte männliche Einwohnerschaft der Bundesrepublik.
Die Einschätzung derer, die sich offensichtlich zutrauen, Jogi Löws Job zu machen, ist abhängig von zwei Faktoren: erstens nämlich dem Fortschreiten der EM und zweitens der Tatsache, in Wirklichkeit überhaupt keine Ahnung von Fußball zu haben, nicht mal ansatzweise, jedenfalls soweit ich das beurteilen kann.
Und ja, ich gehöre auch zu denen, denen Fußball relativ egal ist und die in sofern mit Expertenwissen vorsichtig sein sollten. Da sich aber nunmal fast alle Unterhaltungen derzeit um Fußball drehen, bleibt es nicht aus, dass das ein oder andere Gehörte hängen bleibt.
Die Chance will genutzt werden und so kann selbst der Ahnungsloseste mit einem Plagiat rhetorischer Fußballkompetenz glänzen.
Mit dem Satz:“ Ist doch kein richtiger Fußball mehr heutzutage, diese 4–4‑2 Taktik ohne Libero ist besserer Standfußball, mehr nicht“, ist man jedenfalls mindestens unter Kumpels für den Job des Bundestrainers qualifiziert.