Mrs. L senior, als Kriegskind geboren und somit nachvollziehbar mit einer gewissen Sparsamkeit ausgestattet, hatte also ein Auto gefunden. Mein Erstaunen wich beim Preis doch einer gewissen Skepsis. Besagtes Auto sollte für 2500 Euro den Besitzer, bzw. die Besitzerin, in dem Fall meine Mutter, wechseln.
Ja, auch ich habe bis etwa Mitte dreißig Autos gefahren, die kaum 1000 DM, später Euro gekostet haben. Aber erstens war ich seinerzeit gelenkig genug, um mich fast jedes Wochenende reparierend unter das Auto zu begeben und jung genug, um die zahlreichen technischen Ausfälle mit einer gewissen Gelassenheit hinzunehmen. Bei der Beauftragung für ein neues Auto hatte ich diese Kategorie Autos schlichtweg nicht gefunden. In der Annahme, dass es, bei Preisen von mehr als zehntausend Euro für zehnjährige Autos mit entsprechender Laufleistung, die Kategorie „2 Jahre TÜV, tausend Euro“ einfach nicht mehr gab. Da ändert auch die Aufstockung von Mrs.L senior auf knapp 3000 Euro nichts dran.
Jedenfalls fuhr ich mit Mrs.L senior an einem Samstagmorgen zum besagten Autohändler. Der Verkaufsplatz glich freilich eher einem Schrottplatz. Zahlreiche offensichtlich aus dem Verkehr gezogene Autos gaben sich ein Stelldichein. „Hier?“, rief ich vielleicht ein bisschen zu hysterisch beim Ankommen mit Blick auf die Reste automobiler Mobilität.
Das Objekt der Begierde entpuppte sich als 3o Jahre alter Golf mit einer Kilometerleistung jenseits von Gut und Böse. „Er läuft unrund“, bemerkte ich, was naturgemäß den Verkäufer zu einem: „Das kann nicht sein“, Ausspruch veranlasste und den Mitbewerber um das Auto in die Flucht schlug.
„Damit wirst du nicht glücklich“, wandte ich mich an Mrs.L senior. Meine Frage, ob wir nicht doch in einem Autohaus gucken sollen, beantwortete Mr.L Senior mit einem vernichtenden Blick und der verblüffenden Logik, das die Restlaufzeit eines Autos ja nicht unbedingt die zu erwartende eigene überschreiten müsste.
„Ich hätte da noch diesen Kleinwagen“, bemerkte der Verkäufer mit einem Daumenzeig nach hinten. Mit den Blicken dem Fingerzeig folgend sah ich ein über und über mit Grünspan bedecktes Fahrzeug unter einem Baum stehend. Etwas was Fotografen gerne fotografieren und in Ausstellungen mit „Vergänglichkeit“ untertitelt wird.
Der Mann nahm mich offensichtlich nicht für voll, soviel war klar. Meinen Blick richtig interpretierend beeilte er sich mit „Sie können ja erst mal gucken, hier ist der Schlüssel“, zu entgegnen.
Soviel Optimismus wollte belohnt werden. Siegessicher, dass das Auto keinen Mucks von sich geben würde, drehte ich den Zündschlüssel und – staunte nicht schlecht, der Wagen sprang an und lief auch noch ruhig.
Die Neugier überwand die Skepsis und bei näherer Betrachtung entpuppte sich der Kleinwagen zwar als innen und außen total versifft, aber rostfrei. Laufleistung und Alter — überraschender Weise passte das alles.
Auch die anschließende Probefahrt verlief zufriedenstellend. Nach dem Aushandeln einiger handelsüblicher Zusatzleitungen wie ein neuer TÜV-Stempel und Inspektion in Verbindung eines blitzsauberen Autos bei Übergabe, strahlte Mr.L senior zufrieden: „Siehst du, geht doch.“
Ha, was für ein Glücksgriff! Nach der Abwrackprämie waren Gebrauchtwagen ja eine Zeit lang wirklich Mangelware und ich habe bestimmt einmal pro Woche so ein Werbekärtchen von irgendwelchen Autoverschiebern an der Scheibe kleben gehabt. Offenbar scheint man jetzt auch mal wieder einen Volltreffer landen zu können — man braucht nur Optimismus und Vertrauen 😄
Vor allem bin ich erstaunt über die zielführende Hartnäckigkeit meiner Mutter 🙂
Wenn das Auto dann auch wirklich SAUBER ist und der TÜV Stempel nicht mit ein paar Bier erkauft wurde, spricht nichts dagegen. Ältere Menschen fahren schließlich “nur noch” einkaufen. Da tut auch die ein oder andere Schramme nicht weh.
Mein erstes Auto war ein siebzehn Jahre alter Golf 2, die Mängelliste war überschaubar, der Preis top. Für das siebzehn Jahre Anfängerauto meines Großen haben wir, zwanzig Jahre später, das sechsfache hingelegt.
Was manch einer heutzutage für seinen alten Gebrauchten noch haben will und auch tatsächlich bekommt ist jenseits von Gut und Böse.
VW will als erster Abomodell anbieten, ähnlich wie bei einiger Software soll ein Auto dann nur noch zu mieten sein. Das ist in sofern konsequent, als das der Normalbürger sich aufgrund der Preise und des Wertverfalls (zumindest bei Elektroautos) ein neues Auto nicht mehr leisten kann.
Vermutlich mit den selben Einschränkungen, wie wir sie schon von eben jenen Abo-Modellen für Software kennen.
Werkstattbindung, KI gestützes Scoring das auf den “Kunde” angepasste Preisgestaltung ermöglicht.
Der Besitz eines KFZ ist ein notwendiges Übel, welchem auf dem Land lebende Menschen wie ich nur wenig entgegen zu setzen haben. Neben der vielen Nachteile ist dies ein Vorteil, um den ich in Städten lebende Menschen beneide.
Ginge es ohne, ich würde keines besitzen.