Bis das der TÜV uns scheidet (2)

Mrs. L seni­or, als Kriegs­kind gebo­ren und somit nach­voll­zieh­bar mit einer gewis­sen Spar­sam­keit aus­ge­stat­tet, hat­te also ein Auto gefun­den. Mein Erstau­nen wich beim Preis doch einer gewis­sen Skep­sis. Besag­tes Auto soll­te für 2500 Euro den Besit­zer, bzw. die Besit­ze­rin, in dem Fall mei­ne Mut­ter, wechseln. 

Ja, auch ich habe bis etwa Mit­te drei­ßig Autos gefah­ren, die kaum 1000 DM, spä­ter Euro gekos­tet haben. Aber ers­tens war ich sei­ner­zeit gelen­kig genug, um mich fast jedes Wochen­en­de repa­rie­rend unter das Auto zu bege­ben und jung genug, um die zahl­rei­chen tech­ni­schen Aus­fäl­le mit einer gewis­sen Gelas­sen­heit hin­zu­neh­men. Bei der Beauf­tra­gung für ein neu­es Auto hat­te ich die­se Kate­go­rie Autos schlicht­weg nicht gefun­den. In der Annah­me, dass es, bei Prei­sen von mehr als zehn­tau­send Euro für zehn­jäh­ri­ge Autos mit ent­spre­chen­der Lauf­leis­tung, die Kate­go­rie „2 Jah­re TÜV, tau­send Euro“ ein­fach nicht mehr gab. Da ändert auch die Auf­sto­ckung von Mrs.L seni­or auf knapp 3000 Euro nichts dran. 

Jeden­falls fuhr ich mit Mrs.L seni­or an einem Sams­tag­mor­gen zum besag­ten Auto­händ­ler. Der Ver­kaufs­platz glich frei­lich eher einem Schrott­platz. Zahl­rei­che offen­sicht­lich aus dem Ver­kehr gezo­ge­ne Autos gaben sich ein Stell­dich­ein. „Hier?“, rief ich viel­leicht ein biss­chen zu hys­te­risch beim Ankom­men mit Blick auf die Res­te auto­mo­bi­ler Mobilität. 

Das Objekt der Begier­de ent­pupp­te sich als 3o Jah­re alter Golf mit einer Kilo­me­ter­leis­tung jen­seits von Gut und Böse. „Er läuft unrund“, bemerk­te ich, was natur­ge­mäß den Ver­käu­fer zu einem: „Das kann nicht sein“, Aus­spruch ver­an­lass­te und den Mit­be­wer­ber um das Auto in die Flucht schlug. 

„Damit wirst du nicht glück­lich“, wand­te ich mich an Mrs.L seni­or. Mei­ne Fra­ge, ob wir nicht doch in einem Auto­haus gucken sol­len, beant­wor­te­te Mr.L Seni­or mit einem ver­nich­ten­den Blick und der ver­blüf­fen­den Logik, das die Rest­lauf­zeit eines Autos ja nicht unbe­dingt die zu erwar­ten­de eige­ne über­schrei­ten müsste.

„Ich hät­te da noch die­sen Klein­wa­gen“, bemerk­te der Ver­käu­fer mit einem Dau­men­zeig nach hin­ten. Mit den Bli­cken dem Fin­ger­zeig fol­gend sah ich ein über und über mit Grün­span bedeck­tes Fahr­zeug unter einem Baum ste­hend. Etwas was Foto­gra­fen ger­ne foto­gra­fie­ren und in Aus­stel­lun­gen mit „Ver­gäng­lich­keit“ unter­ti­telt wird. 

Der Mann nahm mich offen­sicht­lich nicht für voll, soviel war klar. Mei­nen Blick rich­tig inter­pre­tie­rend beeil­te er sich mit „Sie kön­nen ja erst mal gucken, hier ist der Schlüs­sel“, zu entgegnen.

Soviel Opti­mis­mus woll­te belohnt wer­den. Sie­ges­si­cher, dass das Auto kei­nen Mucks von sich geben wür­de, dreh­te ich den Zünd­schlüs­sel und – staun­te nicht schlecht, der Wagen sprang an und lief auch noch ruhig.

Die Neu­gier über­wand die Skep­sis und bei nähe­rer Betrach­tung ent­pupp­te sich der Klein­wa­gen zwar als innen und außen total ver­sifft, aber rost­frei. Lauf­leis­tung und Alter — über­ra­schen­der Wei­se pass­te das alles. 

Auch die anschlie­ßen­de Pro­be­fahrt ver­lief zufrie­den­stel­lend. Nach dem Aus­han­deln eini­ger han­dels­üb­li­cher Zusatz­lei­tun­gen wie ein neu­er TÜV-Stem­pel und Inspek­ti­on in Ver­bin­dung eines blitz­saube­ren Autos bei Über­ga­be, strahl­te Mr.L seni­or zufrie­den: „Siehst du, geht doch.“ 

5 Comments

  1. Ha, was für ein Glücks­griff! Nach der Abwrack­prä­mie waren Gebraucht­wa­gen ja eine Zeit lang wirk­lich Man­gel­wa­re und ich habe bestimmt ein­mal pro Woche so ein Wer­be­kärt­chen von irgend­wel­chen Auto­ver­schie­bern an der Schei­be kle­ben gehabt. Offen­bar scheint man jetzt auch mal wie­der einen Voll­tref­fer lan­den zu kön­nen — man braucht nur Opti­mis­mus und Vertrauen 😄

    1. Vor allem bin ich erstaunt über die ziel­füh­ren­de Hart­nä­ckig­keit mei­ner Mutter 🙂

  2. Wenn das Auto dann auch wirk­lich SAUBER ist und der TÜV Stem­pel nicht mit ein paar Bier erkauft wur­de, spricht nichts dage­gen. Älte­re Men­schen fah­ren schließ­lich “nur noch” ein­kau­fen. Da tut auch die ein oder ande­re Schram­me nicht weh.

    Mein ers­tes Auto war ein sieb­zehn Jah­re alter Golf 2, die Män­gel­lis­te war über­schau­bar, der Preis top. Für das sieb­zehn Jah­re Anfän­ger­au­to mei­nes Gro­ßen haben wir, zwan­zig Jah­re spä­ter, das sechs­fa­che hingelegt.

    Was manch einer heut­zu­ta­ge für sei­nen alten Gebrauch­ten noch haben will und auch tat­säch­lich bekommt ist jen­seits von Gut und Böse.

    1. VW will als ers­ter Abo­mo­dell anbie­ten, ähn­lich wie bei eini­ger Soft­ware soll ein Auto dann nur noch zu mie­ten sein. Das ist in sofern kon­se­quent, als das der Nor­mal­bür­ger sich auf­grund der Prei­se und des Wert­ver­falls (zumin­dest bei Elek­tro­au­tos) ein neu­es Auto nicht mehr leis­ten kann.

      1. Ver­mut­lich mit den sel­ben Ein­schrän­kun­gen, wie wir sie schon von eben jenen Abo-Model­len für Soft­ware kennen.

        Werk­statt­bin­dung, KI gestüt­zes Scoring das auf den “Kun­de” ange­pass­te Preis­ge­stal­tung ermöglicht.

        Der Besitz eines KFZ ist ein not­wen­di­ges Übel, wel­chem auf dem Land leben­de Men­schen wie ich nur wenig ent­ge­gen zu set­zen haben. Neben der vie­len Nach­tei­le ist dies ein Vor­teil, um den ich in Städ­ten leben­de Men­schen beneide.

        Gin­ge es ohne, ich wür­de kei­nes besitzen.

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